März
2024
Argentinien
Neuquén und Mendoza
Der Weg weg von der Peninsula Valdes ist so gerade, wie der Weg hin! Dieses Mal ist es allerdings nur halb so tragisch, da wir dadurch umso mehr Zeit haben, die Eindrücke der vergangenen Tage zu verarbeiten. Wir beschließen, noch einen Stopp am Meer einzulegen, bevor wir uns wieder in Richtung Westen hin zu den Anden aufmachen. Also fahren wir noch ein kleines Stückchen nach Norden in das Küstenstädtchen Las Grutas. Hier übersteigt das Thermometer auf unseren Anzeigen zum ersten Mal die 30-Grad-Marke. Allerdings ist es von unserem Campingplatz aus nicht weit zum Meer, und so beschließen wir, einen Tag länger hier zu bleiben und uns für eine ganze Weile das letzte Mal an den Strand zu setzen und ins Meer zu springen. Hier gibt es zwei Felskanten. Eine an Land, wo oben die Häuser der Stadt stehen, dann kommt ein schmaler Streifen Sandstrand und die zweite Felskante liegt schon im Wasser. Die Felsen im Meer sind topfeben und reichen bestimmt 50 Meter ins Meer. Dann brechen sie ab und hinter der Kante ist das Wasser schon sehr viel tiefer. Als wir auf dem, wegen der nahenden Flut immer schmäler werdenden Sandstreifen sitzen, sehen wir eine große Gruppe Delfine an der Klippe entlang schwimmen. Wir freuen uns riesig und springen noch einmal ins Wasser.
Für die nächsten Tage haben wir keine Sehenswürdigkeiten geplant. Wir wollen nur so schnell wie möglich wieder zurück in die Berge. Die Streckenvorschau auf der Navi-App verspricht wie immer, unendlich lange, schnurgerade Straßen. Immerhin kann man hier dann Strecke machen und wir sollten in zwei Tagen wieder in Sichtweite zu den Bergen sein! Die Straße führt am Rio Negro entlang und sorgt dafür, dass wir seit langem mal wieder grüne Felder und große Bäume anstatt nur Sand und staubtrockenes Gebüsch sehen. In einem kleinen Dorf halten wir an für die Nacht. Es gibt hier am Fluss einen Gemeinde-Campingplatz, der gratis ist und wohl, bis auf die Moskitos, sehr schön sein soll. Das stimmt auch! Und da es Samstag ist, ist auch richtig was los. Die Einheimischen sitzen um die großen Grillstellen herum, machen Asado, trinken Mate, hören Musik und genießen das Wochenende. Eine Jugendfreizeit der Kirche ist auch hier und die Kinder kommen neugierig zu uns, beäugen unsere Motorräder und fragen uns Löcher in den Bauch. Als die Kinder zum zweiten Mal zu uns kommen haben sie Obst von den Bäumen der benachbarten Plantagen dabei und selbstgemachte Süßigkeiten, die sie uns in die Hand drücken und kichern. Mit gesunden Dingen können wir leider nicht dienen, aber im Gegenzug geben wir den Kindern eine Packung Kekse mit und sie freuen sich riesig. Sie erzählen uns, dass wir die ersten Ausländer von außerhalb Südamerikas seien, die sie bisher gesehen haben und fragen, wie es uns bei ihnen gefällt. Wir sind wirklich gerührt und fühlen uns sofort wohl. Nachdem wir gegessen haben, kommt ein älterer Mann auf uns zu und quatscht uns ebenfalls auf die Motorräder an. Ein netter, wenn auch etwas schnell redender Herr, der uns Tipps gibt und uns seine Handynummer gibt, falls wir etwas bräuchten und falls in der Nacht irgendwas sein sollte. „Er wohne nicht weit weg vom Platz und könnte schnell hier sein“ erzählt er uns. Wir reden eine Weile, machen Bilder mit den Motorrädern, Adi muss mal wieder ein bisschen Mate trinken, der immerhin nicht ganz so bitter ist, wie beim letzten Mal und als wir uns verabschieden, stellt sich heraus, dass unser neuer Bekannter auch aus der Baubranche kommt. Er hat ein Bauunternehmen im Dorf und sagt, wir sollen uns auf jeden Fall bei ihm melden, vielleicht können wir ja mal zusammen was bauen! So geht ein netter Abend seinem Ende zu und wir versuchen, bevor es vollends dunkel wird, noch unser Zeug zu verräumen. Gerade als wir ins Zelt wollen, fährt der nette Mann nochmal auf den Platz und steigt aus. Er hat eine große Tüte dabei, die er uns in die Hand drückt. „Meine Frau schickt mich, damit ihr nicht verhungert!“, sagt er und drückt uns die Tüte in die Hand. Sie ist gefüllt mit Obst aus dem eigenen Garten. Äpfel, Birnen, Pflaumen und Trauben sind darin. So viele, dass wir fast keinen Platz dafür finden, um sie zu verstauen. Wir versuchen unsere Freude und Dankbarkeit in Worte zu fassen, aber für mehr als „vielen, vielen Dank!“ reicht unser Spanisch leider in solchen Situationen noch nicht. Angekommen ist unsere Freude aber trotzdem, glauben wir.
Nach einer nicht ganz so erholsamen Nacht, die Party unserer Nachbarn ging noch bis 4 Uhr morgens, packen wir früh unsere Siebensachen zusammen und fahren weiter in Richtung Westen. Wir durchfahren die, wahrscheinlich selbsternannte, argentinische Hauptstadt der Tomate und freuen uns, dass wir seit langem mal wieder einen „Frutas y Verduras“ Stand am Straßenrand sehen, bei denen das Obst und das Gemüse einfach soooo viel besser schmeckt und dazu noch viel günstiger ist als in den Supermärkten. Nachdem wir unsere Vorräte aufgestockt haben, fahren wir nach Neuquén, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Wir haben nicht vor hier zu bleiben, weil wir uns in großen Städten nicht sonderlich wohl fühlen und bleiben auf der Schnellstraße. Schnellstraße bedeutet hier aber nicht, dass es keine Ampeln gibt, oder wenn dann wenigstens eine grüne Welle. Nein, in Neuquén gleicht die zweispurige Schnellstraße eher einem Parkplatz! Stop-and-Go bei 30 Grad ohne Schatten. Noch ein Grund, weshalb wir Städte meist versuchen zu umfahren. Vor vier Ampeln sind wir an einem offiziellen BMW-Motorradhändler vorbeigefahren, als Nadi sagt: „Adi, an meinem Motorrad blinkt eine Warnleuchte!“. Scheisse! Das heißt, sofort auf dem Seitenstreifen einen Platz halbwegs im Schatten suchen und anhalten. Ein Blick ins Betriebsheftchen verrät: Öldruck zu niedrig. Also gut, dann schauen wir uns den Ölstand eben an und organisieren zur Not eine Flasche Reserve-Öl an der Tankstelle. Der Ölstand sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus. Etwas niedriger als er sein könnte, aber noch im grünen Bereich. Was nun? Natürlich ist Sonntag und an den Tankstellen in der Nähe findet Adi kein Öl für Motorräder. Ein netter Mann hält an, fragt, ob er uns helfen kann und erklärt uns dann, er gehe noch schnell einkaufen, komme dann zurück und danach sollen wir ihm zu ihm nach Hause folgen, er habe passendes Öl zuhause. So ein netter Kerl! Bei ihm im Hof füllen wir ein kleines bisschen Öl auf, Nadi darf bei ihnen sogar noch kurz ins Bad und den Kanister mit dem restlichen Öl drückt er uns auch noch in die Hand und meint, wir könnten das besser gebrauchen als er. Wir sind überwältigt von der Hilfsbereitschaft, die uns hier entgegengebracht wird!
Leider ist die Freude nur von kurzer Dauer. Nur ein paar Kilometer weiter zeigt Nadis Maschine den gleichen Fehler erneut an. Am Öl kann es diesmal aber beim besten Willen nicht mehr liegen! Also bleibt uns nichts anderes übrig, wir müssen anhalten und uns Hilfe suchen. Es gibt einen kleinen Zeltplatz ein kleines Stückchen außerhalb der Stadt. Von dort aus werden wir morgen dann wohl zur BMW-Werkstatt fahren und die Karre durchchecken lassen. Und wenn wir eh schon da sind, lassen wir auch gleich einen Service machen, dann müssen wir das nicht in Mendoza machen lassen und können wenigstens diese Großstadt umfahren. Am nächsten Morgen in der Werkstatt werden wir schon erwartet. Unser Helfer hat wohl jemanden von dort angerufen und erzählt, dass wir Probleme haben. Krass! Wir fühlen uns schon wieder ein kleines Bisschen wohler. Die Mechaniker machen noch am gleichen Tag den Service, tauschen die Flüssigkeiten und Filter und lesen den Fehlerspeicher aus. Ein Spannungsabfall wurde diagnostiziert. Woher der kommt, wissen sie nicht. Sie löschen den Fehler und schicken uns wieder los. Adis Maschine hat morgen Servicetermin bei Honda und so bleiben wir noch eine weiter Nacht in Neuquén. Da wir die Honda den ganzen Tag abgeben müssen fahren wir mit Nadis Maschine durch die Stadt. Als wir auf dem Weg zum Zeltplatz sind, kommt der gleiche Fehler schon wieder. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Wie kann das denn sein? Die Maschine wurde doch gestern erst frisch gewartet und alles durchgecheckt! Doch anscheinend nicht alles. Ein Blick in die einschlägigen Foren verrät uns, dass das Problem auftreten kann, wenn der Lüfter des Kühlers nicht richtig läuft. Und tatsächlich, der Lüfter lässt sich keinen Millimeter von Hand bewegen. Komplett festgesetzt. Allerdings wissen wir nicht, wie wir den Kühler ausbauen können, um an den Lüfter zu kommen und so heißt es ein weiters Mal zur Werkstatt fahren…
Nach einer gründlichen Reinigung des Lüfters steht fest, dass dieser leider nicht mehr zu retten ist. Der Elektromotor des Lüfters ist durchgebrannt. Also muss ein neuer rein. Der Originale von BMW kostet allerdings ein kleines Vermögen. BMW original Teile sind in Deutschland schon übertrieben teuer, aber hier kostet dieser einfach mal 4-mal so viel. Es gibt auch eine China-Variante, aber die würden sie uns aufgrund schlechterer Qualität nicht empfehlen. Da müssen wir erst einmal eine Nacht drüber schlafen! Am nächsten Tag entscheiden wir uns für die China-Bastel-Variante. Wir lassen uns vorher allerdings versichern, dass der Lüfter die gleiche Leistung hat, wie das Original. Schließlich sind wir in den nördlicheren Regionen auf einen funktionierenden Lüfter angewiesen. Wenn es heiß wird in der Wüste, oder wir in den bolivianischen oder peruanischen Höhen herumfahren muss die Maschine ausreichend gekühlt werden. Uns wird versichert, dass der Billo-Lüfter seine Arbeit machen wird. Auch wenn wir ihn in Deutschland im dümmsten Fall wieder tauschen müssen, klingt das nach der brauchbarsten Lösung. Und die Jungs kriegen den Lüfter tatsächlich wieder ans Laufen! Alles funktioniert also wieder! Dass das Ganze nun fast vier Tage gedauert hat, ist nebensächlich.
Am nächsten Morgen brauchen wir länger als sonst um unsere Sachen wieder auf die frisch gewarteten Maschinen zu packen und fahren so spät los wie noch nie. Doch die Straßen sind alle geteert und wir kommen schnell voran. Zum Glück, denn der erste Zeltplatz zu dem wir fahren stellt sich als Parkplatz heraus, auf dem gerade Pferde für ein Rodeo oder eine Auktion verladen werden. Wir fahren also doch weiter. Der nächste Campingplatz ist ganz oben am Fuß des Vulkans Copahue. Auf dem Weg dorthin kommen wir durch ein kleines, recht touristisches Dorf, direkt an einem See. Am Ausgang des Dorfes beginnt die Schotterstraße, die eigentlich nicht allzu schlimm wäre, würde der Wind nicht mit aller Kraft versuchen, uns auf jedem der 20 Kilometer bis oben von der Piste zu pusten. Auf dem Weg nach oben kommen wir an vielen heißen, nach faulen Eiern stinkenden Quellen vorbei. Wir hoffen, dass der Gestank auf dem Campingplatz nicht allzu stark ist! Allerdings scheint der Gestank unser kleinstes Problem zu sein. Der Besitzer des Campingplatzes schaut uns ungläubig an, als wir fragen, ob er einen Platz für uns hat. „Habt ihr den Wetterbericht nicht gesehen?“, fragt er uns und sagt uns, dass er zwar noch genügend Platz für ein Zelt habe, aber es zu gefährlich für uns sei, hier zu bleiben! Die Windböen sollen bis zu 90 km/h stark sein und er könne uns keinen ausreichenden Windschutz garantieren. Außerdem sollen wir uns gut überlegen, ob wir auch wegen der Motorräder hier oben bleiben wollen. Der Wetterbericht sagt stürmisch und viel Regen voraus für die ganze Woche und wir würden dementsprechend festsitzen, weil wir nicht wegkommen würden. Er rät uns, wieder in das kleine Dorf am See zu fahren und uns dort ein Hotel oder Hostel zu nehmen, um den morgigen Tag zu überbrücken. Also machen wir uns so schnell wie möglich, mit einem unguten Gefühl im Bauch, auf den Rückweg. Es ist bereits nach Sieben. Immerhin ist es noch hell und wir haben diesmal den Wind von schräg hinten und nicht nur von der Seite. In dem kleinen Dorf Caviahue finden wir dank Touri-Info ein süßes, kleines Hostel und können uns dort für zwei Nächte einmieten.
Der nächste Tag ist zwar nicht ganz so grauslig, wie uns gesagt wurde (zugegeben, wir sind jetzt auch deutlich weiter unten und nicht direkt auf dem Berg!), ist aber trotzdem sehr durchwachsen. In einer halbwegs trockenen Stunde machen wir uns deshalb zu einer kleinen Wanderung zu den vier nahegelegenen Wasserfällen auf, die uns der Hostel-Besitzer empfohlen hat. Der Hund, der auch im Hostel wohnt, begleitet uns kurzerhand auf dem Weg und weicht uns auf dem ganzen Weg nicht von der Seite!
Die Wasserfälle sind zwar recht klein, doch sie sind von bizarren Basaltstein-Formationen umgeben. Wie viele, kleine und größere Säulen stehen sie links und rechts als Klippen neben den Wasserfällen und ab und an bröckelt wohl auch mal ein Stück ab und fällt ins Wasser. Der Spaziergang ist nett und wie sich rausstellt auch gut getimed. Als wir nach einer kleinen Einkaufsrunde wieder ins Hostel kommen, fängt es ganz ordentlich an zu regnen und wir sind doch irgendwie froh nicht im Zelt zu sitzen.
Der nächste Tag begrüßt uns wieder mit wolkenlosem Himmel und wir machen uns über eine Schotterpiste auf zu dem Wasserfall, den uns Philipp und Ela empfohlen haben. Ein kleines Schild auf der Schotterpiste verrät, dass es hier links weg geht und tatsächlich, ein paar hundert Meter, nach einer kleinen Wasserdurchfahrt, stehen wir auf dem Parkplatz des Wasserfalls.
Das Farbenspiel ist genial. Die Sonne steht noch so am Himmel, dass der Wasserfall von Vorne angeschienen wird und man das türkisblaue Wasser schimmern sehen kann. Der Copahue-Vulkan im Hintergrund rundet das Panorama ab. Über einen nicht ganz offiziellen Weg kann man mit ein wenig Kraxelei zu dem Fluss unterhalb des Wasserfalls hinuntergehen. Hier kann man an den flachen Stellen, an denen das Wasser über die Felsen fließt, fast problemlos ans andere Ufer laufen. Man muss nur aufpassen, dass man nicht in einen der doch recht tiefen Gumpen fällt, wenn man bei einem großen Schritt auf den teils glatten Felsen ausrutscht. Die Szenerie ist wirklich beeindruckend. Und wie zum Beweis, dass wir zurecht einen Tag gewartet haben, taucht am Himmel plötzlich ein riesiger Schwarm Kondore auf. Wir zählen mindestens 15 Stück. Doch so schnell, wie sie gekommen sind, sind sie auch wieder weg.
Nachdem wir nochmal an der Wasserdurchfahrt anhalten, um Videos und Bilder zu machen, machen wir uns auf den Weg in Richtung Ruta 40. Dass Adi bei der letzten Aufnahme so schnell durch´s Wasser gefahren ist, dass sowohl er bis zu den Ellenbogen nass ist, als auch Nadi nun nicht nur einen frisch gewaschenen Helm hat, ist halb so wild. Die nassen Klamotten kühlen umso besser und trocknen bei dem Wetter ohnehin gleich wieder. Nach wirklich mal abwechslungsreichen 120 Kilometern auf der Schotterpiste erreichen wir wieder die geteerte Ruta 40 und fahren zu einem kleinen Campingplatz kurz vor dem vorerst letzten unasphaltierten Stück der größten Nord-Süd-Verbindung Argentiniens.
Am nächsten Morgen fahren wir halbwegs zeitig los, um unsere heutige Schlüsselstelle frühzeitig zu erreichen und ein wenig Puffer zu haben. Von einigen Motorradreisenden haben wir gehört, dass dieser Abschnitt mindestens genauso schlecht zu fahren sei, wie die berühmten Maltidos 73. Mal schauen, ob es diesmal stimmt. Allerdings sind wir heute deutlich entspannter. Gestern hat auch alles geklappt, dann wird es heute auch so sein! Wir fahren nicht allzu schnell, da die Piste tatsächlich gar nicht mal soooo gut präpariert ist. An manchen Stellen ist die Waschbrett-Oberfläche wirklich so uneben, dass sogar die Maschine von Adi, die sonst mit den langen Federwegen die gröbsten Unebenheiten wegbügelt, wirklich ordentlich durchgeschüttelt wird. Doch alles kein Problem! Und als wir über eine kleine Brücke über einen Fluss fahren, der sich mit der Zeit in das Gestein geschnitten hat, machen wir kurz Pause, vertreten uns die Beine und machen ein paar Bilder.
Keine zwei Kilometer, nachdem wir wieder von der Brücke weiterfahren, sagt Nadi: „Scheisse! Mein Motorrad ist einfach ausgegangen!“. Nicht ernsthaft! Wie kann das denn sein? Die Karre war doch gerade erst in der Werkstatt und hat sogar wieder einen funktionierenden Lüfter! Hoffentlich hat die Elektronik keinen Hau abbekommen von der ganzen Schüttlerei! „Aber gestern hat´s doch auch nix gebraucht…“ Wir erinnern uns an den Rat, den jeder IT-Techniker gibt, wenn er zu einem Problem gefragt wird: „Haben Sie es schonmal mit aus- und wieder einschalten versucht?“. Und tatsächlich: die Maschine startet wieder und wir können nach einem kleinen Schock-Moment wieder weiterfahren. Allerdings nur knapp 200 Meter. Dann geht die Karre wieder aus und diesmal geht gar nichts mehr. Wir versuchen, den Sitz der Stecker zu kontrollieren, ob die alle noch sauber zusammen sind und lösen die Kontakte der Batterie, um sie nochmals frisch zu befestigen, doch nichts funktioniert. Die Maschine macht keinen Mucks.
Natürlich ist es wieder einmal Sonntag und auf der Strecke ist nicht viel Verkehr. Zu Anfangs haben wir uns darüber gefreut, weil Schotterpisten mit viel Gegenverkehr und ständig überholenden Pickups wirklich keinen Spaß machen. Doch nun könnten wir einen solchen Pickup wirklich gut gebrauchen. Nur ein einziges Auto in einer halben Stunde fährt in unsere Richtung. Doch auch sie haben keinen Empfang und kennen Niemanden in der Nähe, der uns behilflich sein könnte. Ein sehr netter, brasilianischer Motorradfahrer, den wir schon am Eingang zum Schotterteil getroffen haben, hält an und fragt, ob er uns helfen kann. Wir sagen ihm, dass wir wohl oder übel abschleppen werden müssen und er gibt uns sein Abschleppseil. Auf die Frage, was er dann mache, wenn er es bräuchte, sagt er nur: „Wenn ich stehen bleibe, kommt ein anderer, hilfsbereiter Motorradfahrer und gibt mir seins!“. Dann drückt er uns noch bunte Bändel in die Hand, die er immer dabei hat und die uns Glück bringen sollen und macht sich auf die Weiterfahrt. Ein sehr, sehr netter und wohl immer optimistischer Kerl!
Wir legen das Seil doppelt, damit es nicht zu lange ist, machen eine Schlaufe an das eine Ende, damit Adi es um seine rechte Fußraste legen kann und wickeln das lose Ende ein Mal um Nadis linke Fußraste. Damit es fest bleibt, muss sie darauf stehen bleiben. Wenn aber irgendwas schief gehen sollte oder sie ins Schlingern kommt, kann sie den Fuß vom Seil nehmen und es wird einfach nach vorne weggezogen. Damit sind das Seil nirgends verfängt, fährt Adi vorne etwas nach links versetzt und Nadi fährt hinten weiter rechts, um nicht über das Seil zu fahren und zu stürzen. Natürlich haben wir so ein Szenario daheim nie geübt. Einmal musste Adi nach einem Offroad-Fahrtraining kurz abgeschleppt werden, weil seine Batterie im Eimer war, aber das war anfänglich eine kleine Katastrophe. Außerdem war das auf Asphalt und nicht auf losem Schotter.
Also bringen wir all unseren Mut auf, bringen das Seil ganz behutsam auf Spannung und versuchen, uns die ersten Meter voran zubewegen. „Wow! Es funktioniert!“, schreit Nadi ins Headset und wir sind wieder einmal gottfroh an unserem Kommunikationssystem! So fahren wir einige Kilometer auf der immer wieder sehr schlechten Straße. Ab und zu halten wir an, um eine kleine Pause zu machen, da die Schlepperei doch ganz ordentlich in die Beine geht und das Balancieren mitunter recht anstrengend ist. Von der Anstrengung für den Kopf ganz abgesehen. Unter einem großen Baum im Schatten treffen wir zwei Motorradfahrer, die in die andere Richtung unterwegs sind. Arthur aus Kanada und Jamie aus den USA erzählen uns, dass wir noch ca. 30 Kilometer Schotterpiste vor uns haben, aber nur die nächsten zehn wirklich bescheiden sein sollen. Super Aussichten! Nach einem weiteren gescheiterten Versuch einen Pickup anzuhalten, fahren wir also so weiter. Nach rund 20 Kilometern problemlosen Abschleppens erreichen wir eine Brücke vor der die Straße eine ganz leichte Rechtskurve macht. Adi fährt in die Kurve und spürt auf einmal einen Starken Ruck, der ihn fast umwirft und sehr stark abbremst! Im Rückspiegel sieht er nur noch, wie Nadi in einer Staubwolke auf dem Boden aufkommt! Schock! Herzrasen! Stress! Nadis Motorrad liegt auf der linken Seite und Nadi sitzt daneben auf dem Boden. Nach einer kurzen Verschnaufpause, in der wir uns sammeln und die Gedanken neu sortieren, stellen wir das Motorrad wieder auf, schieben es an die Seite und atmen einmal tief durch. Nadi ist nichts passiert! Das ist das aller Wichtigste! Auf den ersten Blick hat auch das Motorrad nur ein paar Schrammen abbekommen. Es läuft keine Flüssigkeit aus und keine Teile hängen weg! Sogar der Blinker hat alles unbeschadet überstanden. Erst auf den zweiten Blick fällt uns auf, dass Nadis Windschild gebrochen ist und zwei große abgebrochene Stücke auf dem Boden liegen. Eine Mutter vom Windschild haben wir auch unwiederbringlich verloren. Naja, das ist ersetzbar. Kein Grund zur Panik. Was ärgerlicher ist, ist dass das Schauglas vom Drehzahlmesser eingeschlagen ist. Wie konnte das denn passieren? Scheins hat Nadis Helmschild beim Aufprall die Armatur getroffen und die Scheibe eingeschlagen. Das ist sehr ärgerlich, aber vorerst mal nicht unsere größte Sorge! Wie es zu dem Sturz gekommen ist, wissen wir beide nicht. Eigentlich war weder die Stelle besonders schlimm, noch waren wir zu schnell, oder die Kurve so eng, dass Nadi über das Seil hätte fahren können. Fakt ist, dass wir überlegen müssen, ob wir weiter schleppen, oder ob uns das zu riskant ist.
Wir schieben die beiden Motorräder auf die Seite und versuchen das nächste Fahrzeug, das uns entgegen kommt, anzuhalten. Ein älterer Herr aus Chile hält an und meint, dass es eine grauenvolle Straße sei, die noch mindestens 40 Kilometer so weiter geht! Ein Blick auf das, was wir von hier aus von der Straße erkennen können, verrät leider auch nichts anderes. Staubpiste so weit wir sehen können. Nach dieser Aktion entscheiden wir uns, zu versuchen, einen Pickup, der in unsere Richtung fährt, anzuhalten und um Hilfe zu fragen. Die ersten beiden Pickups fahren an uns vorbei, ohne anzuhalten und das, obwohl wir offensichtlich hilfesuchend am Straßenrand stehen und versuchen, sie durch Gesten zum Anhalten zu bringen. Läuft ja super! Der dritte Pickup, der mit einem Affenzahn angerauscht kommt, hält dann aber an und fragt uns, was los sei. Nadi beschreibt ihm unser Problem und er bietet uns kurzerhand an, das Motorrad auf die Ladefläche zu packen und uns mit in die nächste Stadt zu nehmen. Genial! Er parkt am Straßenrand und fängt zusammen mit seiner Beifahrerin an, die volle Ladefläche abzuladen. Erst jetzt sehen wir, dass sie zu viert in dem Auto sitzen und eigentlich keinen Platz mehr haben. Eine der beiden Frauen, die hinten im Auto sitzen, steigt kurzerhand aus und hält den Abschleppwagen, der uns entgegenkommt, an, steigt bei ihm ein und fährt mit ihm in die Richtung zurück, aus der sie gekommen sind. Anscheinend gehört sie zu dem Auto, das ein paar Kilometer weiter hinten eine Panne hat und am Straßenrand steht. Gemeinsam hieven wir Nadis Motorrad auf die Ladefläche, der Fahrer zurrt es fest, wir laden alles andere wieder auf, verzurren auch das und wollen uns gerade auf den Weg machen, als unser Helfer bemerkt, dass er vorne links einen Platten hat. Heute nehmen wir auch echt alles mit! Er begutachtet den Reifen, findet aber keine Stelle, an der Luft austritt. Mit unserem kleinen Kompressor pumpen wir den Reifen wieder notdürftig auf und machen uns auf den Weg. Im nächsten Ort müssen wir erst einmal zur Gomeria, die den Reifen flicken und den Pickup wieder voll fahrbereit machen kann. Nadi sitzt hinten mit im Pickup, als Adi bemerkt, dass er, egal wie schnell er fährt, nie im Leben hinterherkommen wird! Immerhin sind es nicht, wie von dem chilenischen Herren behauptet, 40 Kilometer, sondern gerade mal noch fünf und Adi sieht den Pickup nach der Schotterpiste am Straßenrand stehen und den Reifen erneut aufpumpen. Während der Zwangspause vereinbaren wir als Treffpunkt die nächste Tankstelle im nächstgrößeren Ort. In einem Nebensatz erwähnt unser Retter, Javier, dass er Rally-Fahrer ist, seit sechs Jahren den Meistertitel der Provinz Mendoza inne hat und letztes Jahr Südamerikanischer Rally-Meister wurde. Das erklärt, warum Adi nicht den leisesten Hauch einer Chance hat, hinterher zu kommen! Als die Gomeria, bei der wir anhalten, geschlossen hat, beschließt Javier, den Ersatzreifen zu montieren. Doch dann findet seine Beifahrerin das Loch im Reifen und wir können uns immerhin ein kleines Bisschen nützlich machen. Mit unserem Reparaturset kann Javier das Loch im Reifen mit wenigen Handgriffen und in weniger als einer Minute flicken. Noch einmal aufpumpen und der Reifen ist fahrfertig. Während der winzige Kompressor den Reifen nun schon zum dritten Mal aufbläst, lädt uns Javier ein, mit zu ihm nach Hause zu kommen. Er wohnt nicht weit weg von Mendoza und wir könnten morgen gemeinsam die Batterie testen, um zu sehen, ob sie noch funktioniert, oder ob wir ein elektronisches Problem haben. Falls die Batterie gut sein sollte, könnten wir immer noch nach Mendoza gehen, denn dort gibt es sehr fähige Elektro-Mechatroniker. Auf unsere Frage, ob wir in seinem Dorf irgendwo campen können, lacht er laut auf und sagt: „Ihr schlaft in meinem Haus! Ich habe ein Zimmer für euch!“. Und mit einem leichten Grinsen im Gesicht sagt seine Beifahrerin: „Außerdem haben wir auch Duschen.“. Das haben wir nicht erwartet! Von einer solchen Hilfsbereitschaft und Offenheit gegenüber wildfremden (und offensichtlich auch müffelnden) Menschen hätten wir niemals geträumt. Dass der Weg bis zu Javiers Haus noch fast 300 km beträgt, ist nur noch eine Nebensache. Außerdem scheinen in Argentinien die 110 km/h Höchstgeschwindigkeit allerhöchstens Vorschlagscharakter zu besitzen. Javier treibt seinen Pickup gnadenlos mit Vollgas über die Landstraßen. Adis Tacho ist zwar nicht der genaueste, aber selbst bei einer Abweichung von 5% sind 150 Sachen einfach mehr als 110. Als es langsam dunkel wird, beeilt sich Javier noch mehr. Jetzt stehen sogar in der Stadt selten weniger als 90 Sachen auf der Uhr. Er macht seinem Beruf alle Ehre! Aber, seine Zeitangabe hat gestimmt. Wir haben nicht ganz zweieinhalb Stunden gebraucht, um bei ihm zuhause anzukommen. Nachdem wir unsere Sachen, die wir für die Nacht brauchen, von den Motorrädern geholt haben, gehen wir ins Haus und dürfen als aller erstes einmal Duschen. Es lohnt sich wirklich. Die Staubpisten haben ihre Spuren in den Haaren und sogar überall da hinterlassen, wo man nicht weiß wie der Dreck dahin kommt… Frisch geduscht und entmüffelt setzen wir uns an den Tisch und werden aufgefordert ordentlich zuzugreifen. Javier hat Ziegenfleisch in den Ofen geschoben, Salat und Brot dazu gemacht und Bier und Wein bereitgestellt. Wir können es immer noch nicht fassen, dass wir solch ein riesiges Glück haben! Wir essen viel, trinken noch mehr und unterhalten uns über alles Mögliche mit Javier und Nara, seiner Freundin, wie wir mittlerweile auch wissen. Um Mitternacht beschließen wir ins Bett zu gehen. Schließlich ist morgen Montag und Javier muss auch wieder arbeiten!
Nach einer super erholsamen Nacht in einem bequemen Bett in einem klimatisierten Zimmer, frühstücken wir und gehen dann in die Werkstatt, um das Motorrad abzuladen und die Batterie zu checken. Javiers Sohn ist seit halb sieben heute Morgen auch hier und arbeitet auf den Obstplantagen, zwischen denen Javiers Finca steht. Wenn es hell ist, kann man die vielen Reihen von Pfirsichbäumen auch erkennen, die das Haus umgeben und die man gestern bei den Ankunft nur im Scheinwerferlicht erahnen konnte.
In der Garage steht ein großer Reisebus, der zur Wohnung und Werkstatt ausgebaut ist und zwei Rally-Boliden sind auf Hebebühnen teils auseinandergebaut und warten auf den nächsten Einsatz. Wir schieben das Motorrad zur Werkbank und Javier holt seinen Tester. Mit einem Klicken entlädt der Kondensator und als wir die Batterie wieder anstecken, springt die Maschine wieder an. Echt jetzt? Das war’s? Javier und sein Sohn geben uns noch die Nummern der BMW-Mechaniker in Mendoza und stellen die Kontakte her, um ihnen zu sagen, dass wir heute noch vorbei kommen. Als wir auf die wieder bepackten Maschinen sitzen und gerade losfahren wollen, macht Nadis Maschine wieder keinen Mucks! Das darf jetzt doch nicht wahr sein! Kann denn jetzt endlich irgendwann mal wieder was funktionieren? Seit einer Woche haben wir nun immer wieder Probleme mit dem Motorrad… Javier sagt ganz cool: „Besser es passiert hier, als auf der Straße!“. Mit diesen Worten zieht er und sein Sohn ihres Handys aus den Taschen und fangen an, uns einen Transport nach Mendoza zu organisieren. Bis das klappt, werden wir kurzerhand noch zum Mittagessen eingeladen. Währenddessen kriegt Javier einen Bekannten an die Strippe, der sich gegen Bezahlung bereit erklärt, uns nach Mendoza zu fahren. Bis dahin sollen wir einfach hier warten. Es ist klimatisiert und wir können uns nochmals ausruhen und uns Gedanken machen, wie es weitergehen soll. Außerdem nutzen wir die Zeit um ein Hostel in der Nähe der Werkstatt zu buchen.
Wir verabschieden uns von Javier und seinem Sohn, natürlich nicht, ohne uns andauernd zu bedanken und bekommen auf die Frage, wie wir uns revanchieren können, nur wieder ein laute Lachen als Antwort und Javier wünscht uns eine gute Reise. Wir sollen uns melden und ihn auf dem Laufenden halten, was mit dem Motorrad ist. Unser schlechtes Gewissen ist unendlich groß. Irgendwas müssen wir uns einfallen lassen, um uns doch noch erkenntlich zu zeigen!
Erstmal aber müssen wir nach Mendoza. Als wir an dem Haus ankommen, sind wir uns zunächst nicht sicher, ob wir richtig sind. Es sieht überhaupt nicht aus, als wäre hier eine Werkstatt. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass ein Stück hinter dem großen Tor eine kleine Halle steht. Sebastian, der Besitzer, macht uns auf und fragt uns auch gleich, ob wir diejenigen mit dem elektrischen Problem sind. Wir laden das Motorrad ab und Sebastian sagt, dass er sich die Maschine gleich morgen früh anschaut. Heute Nacht will er erst einmal die Batterie laden und schauen, ob es an ihr liegen kann. Dann wird er alles durchchecken, die Kabel, den Transformator und die Lichtmaschine durchmessen und das Diagnosegerät dran hängen. Wir fühlen uns sofort gut aufgehoben. Wir machen uns auf den Weg zu unserem süßen, kleinen Hostel, das ganz in der Nähe der Werkstatt liegt und bringen unser ganzes Zeug aufs Zimmer. Für Adis Motorrad gibt es hier sogar einen Stellplatz im Inneren, damit sie in dieser Großstadt nicht auf der Straße oder dem Gehweg stehen muss. Dass die „Garage“ direkten Blick in die Küche hat, scheint hier niemanden zu stören und so steht die große Honda nun eben mitten in dem kleinen Abstellraum, der eigens für uns freigeräumt wurde und es ist nur noch gerade so möglich, einmal um das Motorrad herumzugehen.
Nach dem wir uns umgezogen und endlich kurze Hosen an haben, heute hat es schlappe 36 Grad, beschließen wir, essen zu gehen. Heute haben wir keine Lust mehr einzukaufen und zu kochen. Immerhin ist es schon acht Uhr.
Morgen wird sich Sebastian bei uns melden, wenn er weiß, was das Problem verursacht hat, und wir können unsere Optionen abwägen. Mit diesem Wissen und nach einem riesigen Abendessen, bei dem sogar Adi nach einem wirklich hungrigen Tag kämpfen muss, gehen wir mit einem guten Gefühl ins Bett und freuen uns, dass dieses in einem klimatisierten Raum auf uns wartet! So langsam wird nämlich klar, was es heißt, im Sommer in Argentinien zu sein. Auch wenn Sebastian Adi noch dafür ausgelacht hat, als er zu ihm gesagt hat, dass 36 Grad sehr warm seien und meinte, dass das für hiesige Verhältnisse noch kühl sei…
Der nächste Tag beginnt mit dem besten Frühstück, das wir auf unserer Reise bisher hatten. Kaffee, Tee, Orangensaft, Croissants, Brot, Wurst, Käse, Marmelade, Müsli und Obst. Mit diesem Start kann der Tag ja nur gut werden! Sebastian meldet sich kurz nach seiner Mittagspause. Er hat alles getestet und tatsächlich ist nur die Batterie im Eimer und die restlichen Bauteile des Motorrads sind noch intakt! Eine sehr gute Nachricht! Leider ist der Grund für die kaputte Batterie der neu improvisierte Lüfter. Der ist zwar vom Außendurchmesser gleich groß wie der originale, allerdings sind die Flügel nicht mal halb so lange. Er hat also nicht genügend Power, um den Kühler mit ausreichend Luft zu versorgen.
Ausgerechnet das, was wir in Neuquén erbeten haben, ist nicht der Fall. Wenn wir das dort schon gewusst hätten, hätten wir dort schon den großen Lüfter einbauen lassen und in den sauren Apfel mit den hohen Kosten gebissen. Den Apfel müssen wir jetzt ohnehin fressen… Mit Stiel und Butzen, wie man daheim sagen würde. Denn die Batterie ist nun auch im Eimer und wie sich rausgestellt hat ist beim Sturz nicht nur das Schauglas des Drehzahlmessers, sondern auch die Plastik-Aufhängung des Scheinwerfers und des Instrumententurms gebrochen. Das wird uns eine Lehre sein!
Sebastian versichert uns allerdings, dass die Plastikteile kein Problem seien, er habe jemanden an der Hand, der die alle reparieren könne. Immerhin sind das gute Nachrichten. Dass das Ganze nun bis Ende der Woche dauern kann, ist auch weniger tragisch, wie wir finden. Mendoza soll, abgesehen von der Hitze, eine sehr schöne Stadt sein. Da wir nun noch drei Tage Zeit haben, können wir uns davon selbst überzeugen und hoffen, dass wir bis Ende der Woche Mendoza gesehen und Nadis Motorrad fahrfertig zurück haben. Es gibt jedenfalls Grund zur Hoffnung!
In der Zwischenzeit finden wir sogar eine Wäscherei, in der wir unsere Motorradklamotten reinigen lassen können. Das ist bei Gott auch kein Luxus! Zwar hat Nadi bei unserer ersten Zwangspause in Neuquén versucht, die Hoseninnenfutter mal von Hand zu waschen, allerdings war das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Bzw. in diesem Falle eher ein tropfen Seifenwasser auf ein paar Quadratmeter stinkende Hose! Drei Monate zwischen den Waschgängen sind dann vielleicht doch etwas lange… Als wir die Klamotten wieder abholen, glänzen die wie neu! Sogar die Reisverschlüsse laufen wieder wie geölt! Da ist es dann auch kein Problem, dass wir die Wäsche durch die halbe Stadt schleppen mussten.
Immerhin gibt es auf dem Weg durch Mendoza wirklich schöne Parks zwischen den gar nicht mal soooo hohen Häusern. Die meisten Straßen sind gesäumt von hohen Platanen, die die gesamten, teils vierspurigen Straßen beschatten und die vielen, kleinen Läden lassen ein Gefühl aufkommen, als wäre man in einer italienischen Kleinstadt. Und das, obwohl die Provinzhauptstadt fast eine Million Einwohner hat. Obwohl wir Großstädte normalerweise meiden bzw. versuchen zu umfahren, fühlen wir uns hier erstaunlich wohl. Zum ersten Mal bummeln wir einfach so durch die Stadt und schauen uns einfach nur um und beobachten das bunte Treiben in den Straßen und den Parks. Wir sitzen in ein Café, schlendern durch den Mercado Central und haben so richtig das Gefühl von Urlaub.
Wie sich herausstellt, sind sowohl Doreen und Franz als auch Laura und Adrian, die beiden deutschen Pärchen, die wir in Bariloche kennengelernt haben, auch in Mendoza. Wir verabreden uns kurzerhand mit den vieren in einem netten Restaurant außerhalb der Stadt und machen uns einen richtig schönen Abend. Erst im Restaurant mit köstlichem Fleisch, Weinbegleitung und Mojitos (in der Happy Hour sogar zum halben Preis!) und danach im benachbarten Biergarten. Dort bleiben wir sitzen und haben es lustig, bis wir freundlich gebeten werden, zu gehen, weil es nun doch schon recht spät sei und sie den Laden gerne schließen würden. Wir verabschieden uns und steigen ins Taxi, das uns wieder zu unserem kleinen Hostel in der Innenstadt bringt und freuen uns, die vier hier zufällig nochmals getroffen zu haben!
Der nächste Tag beginnt mit leichten Startschwierigkeiten. Zumindest bei Adi. Es ist dementsprechend auch wirklich nicht schlimm, dass Sebastian erst nach der Mittagspause schreibt, dass das Motorrad fertig ist. So haben wir ein bisschen Zeit, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Wir sind schon auf dem Weg zur Werkstatt, um das Motorrad abzuholen, als Sebastian uns die Rechnung schickt und meint, dass, wenn wir mit Karte zahlen wollen, es 15 % mehr kosten würde. Nach kurzer Überlegung entscheiden wir uns, nochmal zur Bank zu gehen und Bargeld abzuholen. Bei der Summe, die die Reparatur und die Ersatzteile kosten, fallen 15 % ganz ordentlich ins Gewicht! Zum ersten Mal wollen wir eine wirklich erhebliche Summe abheben. Die Filiale hat genügend Bargeld da, um uns das Geld auszubezahlen. Allerdings ist die Summe zu groß, damit unsere Bank zuhause das Geld ohne Prüfung zur Verfügung stellt. Das ganze Hin und Her kostet uns im Endeffekt zwei Stunden. Bis wir das Motorrad abgeholt, ins Hostel gefahren, die Motorräder bepackt haben und uns auf den Weg machen, ist es also schon fast 19 Uhr. In ungefähr anderthalb Stunden wird es dunkel. Und da unser Hostel leider am Wochenende komplett ausgebucht ist, können wir auch nicht nochmal eine Nacht bleiben und müssen uns einen Campingplatz außerhalb suchen. Knapp 80 Kilometer außerhalb der Stadt in Richtung chilenische Grenze finden wir einen Platz, auf dem wir für eine Nacht unser Zelt aufstellen können. Von hier aus wollen wir morgen noch kurz zu Javier fahren, um ihm eine Flasche Jägermeister vorbeizubringen, als Dankeschön für seine Hilfe. Wir bauen kurz das Zelt auf, essen das restliche Gebäck, das vom Einkauf heute Mittag noch übrig ist, und verkriechen uns ins Zelt.
Am nächsten Morgen wachen wir frisch erholt und gut gelaunt auf und machen uns zeitig auf den Weg zu Javier. Wir haben uns vorher bei ihm angemeldet und er erwartet uns schon mit einem breiten Grinsen. Als wir ihm das kleine Dankeschön in die Hände drücken, freut er sich und meint, dass wir nicht extra einen Umweg dafür hätten machen müssen. Er habe uns sehr gerne geholfen und er wünscht uns für unsere Weiterreise immer gute Straßen, Glück mit den Motorrädern und immer freundliche Leute, die uns helfen können! Und wenn wir irgendwas benötigen sollten, hätten wir ja schließlich seine Nummer. Wir sind sehr, sehr froh, nochmal zu Javier gefahren zu sein und machen uns nach unserem kurzen Besuch wieder gut gelaunt auf den Weg in Richtung Berge. Die Straße ist geteert und hat nur manchmal wirklich tiefe Spurrillen, sodass man die Kurven meistens tatsächlich genießen kann. Wir überholen gerade einen Lastwagen, der mutmaßlich voll beladen vor uns den Berg hinaufkriecht, als Nadi übers Headset brüllt: „Scheisse, Adi, mir hat´s gerade ganz viel Kühlwasser auf´s Visier gespritzt!“.
Das Hoch-Gefühl, das wir beide bis noch vor wenigen Augenblicken hatten, weicht sofort dem Gefühl eines richtig starken Schlags in die Magengrube… Das darf jetzt echt nicht wahr sein! Wir waren jetzt doch diesmal bei einem echt fähigen Mechaniker und er hat die Maschine auf Herz und Nieren geprüft! Wie kann es sein, dass diese Scheiss-Karre schon wieder spinnt? Wir stellen uns an den Straßenrand und Adi wird kurzzeitig derartig wütend, dass er sich wirklich zusammenreißen muss, nicht auf das Motorrad einzuprügeln. Aber wirklich besser macht das die jetzige Situation halt auch nicht… Um nicht auch noch hungrig zu sein, während wir nach einer Lösung des Problems suchen, essen wir erst einmal kurz was. Wir stehen ja eh schon… Während wir essen, versuchen wir in den einschlägigen Foren nach einer Beschreibung des gleichen Problems zu finden. Zeitgleich kontaktieren wir Sebastian, in der Hoffnung, dass er uns auch samstags antwortet. Nadi findet heraus, dass es mehrere Gründe haben kann, weswegen die Maschine Wasser spuckt und dann heiß läuft. Nur wenige Augenblicke später bestätigt Sebastian Nadis Recherche-Ergebnisse. Wir sollen die Karre abkühlen lassen, nach Mendoza zurück fahren und die Maschine wieder zu ihm bringen. Und er schaut sich den Kühlkreislauf noch einmal an. Allerdings erst wieder zu den Öffnungszeiten. Klar! Also nochmal ein paar Nächte in Mendoza. Zu allem Überfluss ist das nette Hostel in dem wir die Woche über waren, restlos ausgebucht. Ist doch immer das Gleiche mit dem Teufel und den großen Häufen… Allerdings vermitteln uns die Besitzer des Hostels eine andere Unterkunft in der Stadt, die tatsächlich noch freie Zimmer hat. Wir können sogar die Motorräder sicher im Vorgarten abstellen!
Da wir ja eh nichts anderes machen können, beschließen wir, in eine der vielen Bodegas Mendozas zu gehen und eine Führung mit Weinprobe zu machen. Schließlich haben wir das letzte Woche irgendwie nicht hingekriegt und so können wir wenigstens erzählen, dass wir in der Hauptstadt des Weines ein paar Gläser Wein getrunken haben!
Das Weingut ist fußläufig von unserem Hostel aus zu erreichen und wie sich herausstellt, ist es sogar eines der ältesten Weingüter in Mendoza. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum es mittlerweile quasi mitten in der Stadt liegt. Wir genießen die Führung in vollen Zügen und machen uns einige Zeit später und deutlich besser gelaunt wieder auf den Rückweg zum Hostel. Morgen müssen wir zeitig das Motorrad zu Sebastian bringen, damit er noch genügend Zeit hat, um zu reagieren, sollte wirklich etwas unvorhergesehenes kommen.
Um kurz nach neun stehen wir bei Sebastian auf der Matte. Mit einem mitleidigen Lächeln begrüßt er uns und macht sich sofort an die Fehlersuche. Nachdem wir ihm am Samstag per WhatsApp unsere Probleme beschrieben haben, hatte er einen Verdacht und ist früh morgens schon los gegangen und hat einen neuen Deckel für den Kühler besorgt. Seine Vermutung ist, dass das Ventil im alten nicht mehr richtig funktioniert und das Wasser nicht mehr zurück in den Kühler laufen lässt. Er tauscht die Kühlflüssigkeit, setzt den neuen Deckel ein und prüft nochmals den Kühlkreislauf. Alles dicht. Der Lüfter läuft und arbeitet, wie er soll, geht aus und an und der Druck im Kühlkreislauf sieht auch gut aus. Der alte Deckel hatte tatsächlich einen Hau… Deswegen war am Ausgleichsbehälter auch nicht zu erkennen, dass zu wenig Kühlflüssigkeit im eigentlichen Kreislauf vorhanden war. Nach einer Stunde ist Sebastian fertig und wir können das Motorrad wieder mitnehmen. Jetzt MUSS einfach alles funktionieren! Zumindest haben wir diesmal wirklich ein gutes Gefühl!
Wir bedanken uns bei Sebastian, dass er sich nochmal Zeit für uns genommen hat und heute Morgen extra früher auf Ersatzteilsuche gegangen ist, und fahren glücklich zurück ins Hostel. Eine Nacht haben wir noch Puffer eingeplant. Morgen kann es also endlich weiter gehen 😊
Salta
Argentinien
Wir sitzen auf die Motorräder und fahren ein letztes Mal aus Mendoza heraus. Die Stadt gefällt uns immer noch, aber wir sind froh, dass es nun endlich weiter geht! Wir wollen noch einmal unser Glück versuchen und die Westumfahrung der Ruta 40 in den Norden nehmen. Allerdings wollen wir heute ganz hintenrum fahren. Auf dem Navi sieht die Straße zu dem Dorf, in dem wir schon einmal übernachtet haben, bevor wir bei Javier waren, richtig schön kurvig aus. Wir fahren durch die kleinen Weingüter die auf dem Weg liegen und sind mehr als erstaunt, als sich vor uns plötzlich eine kleine Schlucht auftut, an deren oberen Ende ein kleiner Stausee liegt. Die Straße nach oben ist tatsächlich so kurvig, wie vom Navi versprochen. Und noch besser: Sie ist frisch asphaltiert! Ein richtig schöner Bergpass, den wir vor lauter Begeisterung immer schneller hoch fahren. Oben angekommen würden wir gerne nochmal umdrehen und den Pass erneut zu fahren, so viel Spaß hat es uns gemacht. Allerdings haben wir heute noch eine ganz gute Strecke vor uns und wir beschließen, uns ohne Wiederholung auf den Weg zu machen. Geplant ist, dass wir heute in Barreal anhalten. Ein kleines Dorf mit vielen Weingütern, das wir von einer Reisenden im ersten Hostel in Mendoza empfohlen bekommen haben. Auf dem Weg dorthin wird es immer wärmer! An der Tankstelle, an der wir auch einen kurzen Mittagssnack zu uns nehmen, zeigt das Thermometer schon 34°. Das kann ja noch witzig werden. Während wir die erste Schotterpiste, nach all unseren Reparaturen in Mendoza fahren, steigt die Temperatur auf knappe 40°. Genau jetzt erreichen wir Barreal. Da Adi keine Lust hat das Zelt im Backofen aufzustellen, verlängern wir kurzerhand unsere Tagesetappe und fahren ein Stückchen weiter in das nächste kleine Dorf und hoffen, dass es bis dorthin dann etwas abgekühlt hat. Der Campingplatz in diesem Dorf ist eher unterwältigend. Dafür ist er günstig und hat fließendes Wasser. Für eine Nacht ist es eh wurscht und wir fahren morgen früh sowie so gleich wieder weiter.
Die heutige Etappe führt uns durch den Parque Nacional Talampaya. Der ist berühmt für seine roten Gesteinsformationen und Felssäulen die mitten im Nirvana stehen und zumindest von den Bildern her ein bisschen an den Grand Canyon erinnern.
Leider ist es heute genauso heiß, wie gestern. Auf einem kleinen Parkplatz am Straßenrand treffen wir einen argentinischen Männerausflug, der uns gutgelaunt mit Bier in der Hand erklärt, dass diese Woche sehr warme Winde über das Land ziehen und man das Wetter bis auf zum Kite-Boarden zu nichts gebrauchen könnte, da es einfach zu warm sei.
Da man in den Nationalpark, wie sich herausstellt, nur mit Führungen kommt und wir leider schon zu spät für die letzte des Tages sind, fahren wir weiter durch die Hitze und suchen uns ein schattiges Plätzchen, um zu entscheiden, wohin wir heute noch fahren werden.
Wir haben von Adrian und Laura einen Wildcampingplatz in der Nähe empfohlen bekommen. Auf dem Navi sieht die Straße auch wirklich vielversprechend aus. Schön kurvig und es hat den Anschein, als dass der Platz etwas höher in den Bergen liegt, was hoffentlich für angenehmere Temperaturen sorgt.
Auf der Straße dorthin sind wir fast allein. Weder Autos noch LKWs, geschweige denn Motorräder fahren in unsere Richtung oder kommen uns entgegen. Kein Wunder. Denen ist allen auch zu warm und die werden nicht zu Unrecht gerade Siesta machen. Die Einzigen, die wie wir keine Siesta machen, sind die Polizisten, die, wie hier üblich, Straßenkontrollen durchführen und die Autos auf Drogen untersuchen. Da natürlich gerade niemand anderes unterwegs ist, werden wir zum ersten Mal an einer solchen Station nicht durchgewinkt, sondern angehalten. Das Bankett auf dem wir anhalten ist so abschüssig, dass Nadi Probleme hat, ihr Motorrad abzustellen und fast umfällt. Einer der Polizisten hilft ihr das Motorrad zu halten und grinst über das ganze Gesicht. „Wo kommt ihr her?“, fragt ein anderer Polizist derweil Adi. Als wir ihnen sagen, dass wir aus Deutschland kommen, werden die Gesichter noch freundlicher und es macht den Anschein, dass wir nur noch kontrolliert werden, weil wir ja eh schon angehalten wurden. Wir werden gebeten, unsere Tankrücksäcke zu öffnen und Adi wird erstaunt angeschaut, als er die Frage, ob er raucht mit nein beantwortet. Bei Adi wird jedes Fach durchsucht und an allem gerochen. Bei Nadi wird nur einmal kurz hineingeschaut und dann wieder zugeklappt. Adi muss dann noch kurz die Tasche mit den Kanistern öffnen, was allerdings auch nur mäßig interessant zu sein scheint und wir sind fertig. Dass der Chef der Truppe von hinten noch „Pasaporte!“ ruft, interessiert von den Polizisten, die uns angehalten haben, keinen und wir dürfen weiterfahren. Die Jungs tun uns bei dem Wetter auch leid. Kein Schwein kommt, außer zwei deutschen Touris und die stehen sich den ganzen Tag in der glühenden Hitze mit ihren langen Uniformen, Springerstiefeln und Schusssicheren Westen in der Sonne die Füßen in den Bauch und können nichts machen.
Wir sind jedenfalls froh, als wir einige Kilometer später endlich unseren Wildcamping-Platz finden. Zwar ist der nicht den Berg hoch, wie von uns ursprünglich angenommen, sondern liegt auf dem Weg ins noch wärmere Tal, aber immerhin liegt er an einem kleinen Fluss und wir sehen zu, dass wir schleunigst aus unseren Motorradklamotten rauskommen. Der Paltz ist eigentlich wirklich schön. Größere Bäume, die Schatten spenden, viele kleine Buchten, in die man sich mit dem Camper oder Zelt stellen kann und fast an allen Stellen hört man den kleinen Fluss rauschen. Allerdings scheint der Platz auch ein sehr beliebter Ort für die Einheimischen zu sein, um dort zu Grillen, sich zusammenzusetzen und das Wochenende zu verbringen. Bei dieser Kulisse absolut verständlich.
Doch leider scheint es hier auch Usus zu sein, seinen Müll und seine sonstigen Hinterlassenschaften einfach liegen zu lassen und zu gehen. An den schönsten Plätzchen liegen haufenweise Blechdosen, Plastikflaschen, Verpackungen und von den Unmengen an Klopapier wollen wir erst gar nicht reden. Wir suchen uns also einen halbwegs ebenen und vor allem sauberen kleinen Platz und richten uns für die Nacht ein. Im Fluss kühlen wir uns kurz ab, bevor wir uns ans Abendessen machen und dann alle viere von uns strecken, um im Schatten etwas Erholung von der Hitze des Tages zu bekommen. Wenn wir morgen durch die nächste größere Ortschaft kommen, müssen wir unbedingt wieder Wasser kaufen! Bei diesem Wetter schrumpfen unsere Vorräte rapide. Da sind selbst die 15 Liter, die wir dabei haben nicht allzu üppig.
In der Nacht fängt es dann unerwartet stark an zu winden. So stark, dass wir sogar nochmals aufstehen, um das Zelt richtig abzuspannen. Immerhin hat das den Vorteil, dass es am nächsten Morgen deutlich kühler und angenehmer ist. Die heißesten Tage haben wir hoffentlich nun überstanden! Unser nächstes richtiges Ziel ist nun der Paso San Francisco. Ein sehr hoch gelegener Grenzpass zwischen Argentinien und Chile, an dessen Spitze eine sehr schön grün leuchtende Lagune liegen soll. Die Lagune wurde uns von zwei russischen Reisenden auf unserem Weg zur Peninsula Valdes empfohlen und wir haben uns damals gesagt, dass wir es versuchen würden, wenn wir in der Nähe sind. Nun ist es also so weit. Die Strecke will allerdings gut geplant werden. Zwischen den beiden nächstgelegenen Tankstellen die auf chilenischer und argentinischer Seite an diesem Pass liegen, liegen knapp 480 Kilometer. Das sind Strecken, die wir im Flachen schon nicht mit einer Tankfüllung hinbekommen. Wir gehen also unseren Spritkanister auffüllen, tanken die Maschinen bis an den Rand voll (mit dem bis dato teuersten Sprit, den wir in Argentinien gefunden haben: 95 Cent/ Liter!!!), füllen unsere Vorräte auf und fahren sehr spritsparend den Pass das erste Stückchen hoch. Unser Ziel ist eine Schutzhütte am Straßenrand, die auf ca. 3700 Metern Höhe liegt. Wir fahren extra besonders langsam, um nicht unnötig viel Sprit zu verbrauchen. Allerdings liegen noch fast 2000 Höhenmeter vor uns. Anfänglich fahren wir noch durch kleine Täler und Schluchten aus rotem, grauem, grünem und allerlei anderem buntem Gestein und sind begeistert von der immer karger werdenden Landschaft.
So etwas hat zumindest Adi noch nicht gesehen und kann das Filmen mit der Helmkamera fast nicht aufhören. Doch schon bald werden die Straßen immer gerader und wir finden uns auf einem Plateau wieder. Nicht vorstellbar, dass man auf dieser Straße am Ende auf fast 4800 Metern rauskommen soll!
„Die Straße muss jetzt bald mal fast senkrecht nach oben gehen!“, sagt Nadi, als ein Blick über die nächste Kuppe die Straße erkennen lässt, die einfach schnurgerade und ziemlich flach vor uns liegt! Wir schalten beim Navi aus Neugier die Höhenanzeige ein und sind davon mehr als erstaunt! Nicht mal die Verbrauchsanzeige unserer Maschinen hätte uns erahnen lassen, dass wir mittlerweile schon auf 3400 Metern sind. Wir haben ein kleines bisschen Rückenwind. Aber dass das reicht, um so gar nicht zu bemerken, dass man schon fast 2000 Meter nach oben gefahren ist, ist wirklich seltsam. Einige Kilometer später kommen wir in einer absoluten Mondlandschaft an unserer Schutzhütte an und machen es uns gemütlich. Man muss allerdings sagen, dass wir beim Motorrad abladen und Zelt aufstellen durchaus merken, dass die Luft hier oben dann doch deutlich dünner ist und man schnell außer Atem kommt. Zumindest Adi merkt das deutlich.
Die Nacht ist so wenig erholsam wie schon lange nicht mehr. Da der Wind aufgehört hat zu wehen und die Schutzhütte relativ dicht ist, kommt noch weniger Sauerstoff in die Bude, als ohnehin schon vorhanden ist. Entsprechend gerädert stehen wir am nächsten Morgen auf. Allerdings belohnt uns der Morgen für die Nacht mit einem gigantischen Ausblick. Etwas müde, aber guter Dinge packen wir unsere Maschinen und machen uns auf den Weg zur Grenze.
Von Argentiniern haben wir gehört, dass es möglich sein soll, die Lagune zu besuchen, ohne in Chile einzureisen. Das hätte den Vorteil, dass wir nicht fast bis ans Meer zur nächsten Tanke fahren müssten, sondern oben umdrehen und wieder nach Argentinien zurück fahren könnten. Der erste Beamte am argentinischen Grenzhäuschen bestätigt, dass das kein Problem sei und schickt uns durch all die Grenzstationen. Wir reisen nun formell aus Argentinien aus. Auf die Frage, ob wir in Chile ein- und ausreisen müssen, um wieder nach Argentinien kommen zu können sagt er „Nein, ihr könnt einfach wieder zurück fahren, wenn ihr an der Lagune wart!“. Perfekt! Als wir beim Zoll sind, der unsere Motorräder auschecken muss, kommt Unruhe beim nächsten Beamten auf. Er verschwindet nach draußen und sagt uns wir sollten warten. Ein paar Minuten später kommt er wieder rein und sagt, dass wir mit den Motorrädern nicht ohne offiziell in Chile gewesen zu sein, wieder nach Argentinien einreisen dürfen. Das wäre ein Problem mit der Zollfreien Zeit von acht Monaten und das geht bürokratisch nicht so einfach… Gott sei Dank haben wir, bevor wir durch die ganzen Stationen gegangen sind, drei Mal nachgefragt, ob unser Plan möglich ist! So ein Dreck…
Naja, ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Zumindest Adi ist es mehr als recht so schnell wie möglich wieder runterzufahren, denn ihm ist mittlerweile leider ziemlich übel und er fühlt sich nicht sonderlich wohl. Scheint wohl eine Auswirkung der Höhe zu sein, die sich nun an der auf 4200 Metern Höhe liegenden Grenzstation bemerkbar macht. Wir drehen also wieder um und fahren den Pass auf der argentinischen Seite wieder runter, ohne die Lagune gesehen zu haben… Schade, aber wir werden wohl noch an einigen Lagunen vorbei kommen, wenn wir weiter im Norden und auch in Bolivien sind. Wir betrachten diesen kleinen Umweg nun einfach als ersten Test unserer Motorräder und uns selbst auf Höhentauglichkeit. Zumindest die Motorräder und Nadi haben den Test mit Bravour bestanden!
Wieder unten angekommen geht es auch Adi wieder besser und wir fahren weiter nach Belén, einem kleinen Städtchen, in dem wir auf einem süßen, kleinen Campingplatz Halt machen, bevor wir weiter wollen zum nächsten größeren Ziel: Salta.
Auf dem Weg nach Salta liegen unteranderem auch die Quilmes-Ruinen, die Adi unbedingt sehen möchte. Quilmes ist nicht nur der Name einer großen Brauerei in Argentinien, sondern auch der Name eines Indigenen-Volkes, das sich ca. 100 nach Christus in dem kleinen Tal „Valle Fertil“ niedergelassen hat. Die Quilmes waren eines der wenigen Völker, die den Kontakt mit den Inka überlebt haben. Leider kann man das über den Kontakt mit den Spaniern nicht sagen. Das Volk wurde 1664 von den Kolonialisten angegriffen und 1665 wurden die letzten Bewohner zwangsumgesiedelt. Heute leben nur noch wenige Menschen, die ihre Wurzeln auf die Quilmes zurückführen können. Aber einige von ihnen arbeiten nun bei den teilweise restaurierten Ruinen, machen Führungen über das Siedlungsgebiet und geben ihr Wissen über die handwerklichen, ingenieurtechnischen und landwirtschaftlichen Fertigkeiten ihrer Ahnen weiter.
Wir lassen uns viel Zeit im Museum und auch auf der Ausgrabungsstätte, die man über kleine Wanderwege erkunden kann. So viel Zeit, dass wir uns schließlich wirklich beeilen müssen, um unseren kleinen Wildcampingplatz noch erreichen zu können, ohne in die Dunkelheit zu geraten.
Knapp einen Kilometer, nachdem wir von der Sandpiste zu den Ruinen wieder auf die Teerstraße abgebogen sind, sagt Nadi übers Headset: „Shit, ich muss anhalten, mein Scheinwerfer fällt runter!“ Wir halten am Straßenrand an und begutachten das neueste Problem der BMW.
Anscheinend wurden die Schrauben nicht wieder richtig festgezogen, nachdem der Scheinwerfer für die Reparatur des Windschilds abmontiert werden musste. Die Piste zu den Ruinen hat dann die wahrscheinlich losen Schrauben vollends losgerottelt und auf dem Kilometer danach sind beide dann verloren gegangen. Auch beim Ablaufen der Straße tauchen die Schrauben nicht mehr auf… Nach einem kurzen Wutanfall von Adi der sich schwört, ein BMW-Motorrad nie wieder auch nur mit dem Arsch anzuschauen, befestigen wir den Scheinwerfer fachmännisch mit Kabelbindern und fahren vorsichtig weiter nach Cafayate.
Hier finden wir einen Campingplatz, auf dem wir die Nacht verbringen, viele weitere deutsche Reisende treffen und abends zur Beruhigung gemütlich ein oder zwei Tassen Wein trinken. Immerhin ist diesmal nix passiert, was das Motorrad lahmlegt! Auch wenn die kleine BMW nun sehr witzig aussieht, fährt sie problemlos. Und wie immer haben wir Glück im Unglück. Salta liegt nur noch 200 km entfernt. So lange sollten die Kabelbinder halten! Und da Salta wieder eine große Stadt ist, gibt es auch hier einen BMW-Händler, der uns mit den Schrauben vielleicht weiterhelfen kann. Normalerweise würden wir einfach zum Baumarkt gehen, doch in Südamerika sind metrische Schrauben eher Mangelware und so hoffen wir auf die offizielle BMW-Werkstatt.
Wir haben dieses Mal schon im Voraus ein Zimmer in einem Hostel gebucht, in dem wir mitten in der Innenstadt auch unsere Motorräder sicher parken können und machen uns auf den Weg. Salta soll sehr schön sein und viele Kirchen und alte Gebäude haben, die wir uns gerne anschauen wollen. Die Vorfreude wiegt also stärker als der Frust über die verlorenen Schrauben und wir fahren guter Dinge in die Stadt!
Auch die Ruta 68 in Richtung Salta sieht auf dem Navi mal wieder sehr vielversprechend aus. Der Norden Argentiniens hat dann doch die ein oder andere kurvigere Strecke zu bieten. Nachdem wir auf dem Campingplatz noch ein bisschen Spanisch mit unserer Lern-App büffeln, prüfen wir noch einmal den Sitz von Nadis provisorischer Scheinwerfer-Befestigung, schwingen uns auf die Maschinen und fahren los. Wir sind extra früh aufgestanden, um noch vor der Siesta, die hier teils von 13 bis 17 Uhr geht, zur BMW-Werkstatt zu kommen, damit wir danach gemütlich im Hostel einchecken können. Auf der Ruta 68 wird uns dann jedoch relativ schnell klar, dass unser Zeitplan wahrscheinlich nicht ganz hinhauen wird. Die Landschaft ist einfach zu schön, um daran einfach vorbei zu rasen. An den Stellen, an denen wir nicht anhalten, um zu glotzen, fahren wir nur sehr langsam vorbei, um jeden Meter der grünen Büsche und Bäume am Fluss zwischen den roten Felsen die uns umgeben bestaunen zu können.
So kommen wir schließlich erst um viertel nach eins in Salta an. Pünktlich zur Mittagspause! Na toll… Gerade als wir die Adresse unseres Hostels ins Navi eingeben, kommt eine nette BMW-Vertrieblerin aus dem Laden und sagt uns, dass der Service nur bis um zwei Mittag macht und wir doch einfach direkt in die Werkstatt gehen sollen. Nochmal Glück gehabt! Wir suchen uns also eine Bäckerei in der Nähe, holen uns was zu essen und warten noch ein bisschen, bis das Werkstatttor aufgeht. Ein recht unmotiviert dreinblickender Kerl kommt aus der Werkstatt geschlendert, schaut uns gelangweilt an und fragt uns, was wir wollen. Als wir ihm erklären, dass wir eigentlich nur die beiden metrischen Schrauben für die Scheinwerfer-Halterung brauchen, latscht er zum PC, um uns ein paar Minuten später zu sagen, dass er die Schrauben nicht in der Werkstatt hat. „Das darf ja wohl nicht wahr sein! Wer wenn nicht die BMW-Werkstatt soll, denn diese drecks Original-Schrauben da haben!?“, mault Adi und sieht uns schon mit den Kabelbindern die restliche Strecke nach Kolumbien fahren. Doch dann drückt uns der BMW-Typ doch noch einen Zettel in die Hand mit einer Adresse einer Ferretería. Da würden wir bestimmt fündig! Na, hoffentlich! Aber jetzt gehen wir erst einmal ins Hostel und schauen, dass wir aus unseren warmen Motorradklamotten raus kommen. Das Hostel ist eines der günstigsten, die wir in der Stadt gefunden haben. Außerdem liegt es nur zwei Blocks entfernt vom berühmten Plaza de 9 Julio, von dem aus sich die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt fußläufig erkunden lassen. Das Zimmer ist winzig, und hat eher eine Schießscharte statt eines Fensters, aber hey, was haben wir erwartet? Immerhin haben wir ein privates kleines Badezimmer. Für unsere Bedürfnisse reicht es aus. Wir duschen, legen uns noch kurz auf´s Bett, genießen die kühle Luft der Klimaanlage und gehen dann in die Stadt zum Einkaufen. Die Ferretería hat die Schrauben samt Unterlegescheiben tatsächlich da. Und geschenkt sind die Dinger auch fast. Der Hammer! Auf dem Rückweg zum Hostel besorgen wir noch allerlei Zeug für die nächsten Tage, laden alles in unserem Zimmer ab und gehen zur Feier des Tages noch einmal in ein traditionell argentinisches Restaurant zum Essen. Die Grillplatte für zwei Personen hätte auch leicht für eine dritte, hungrige Person gereicht! Allerdings haben wir dieses Mal, auf Adis Drängen hin, nicht alles was auf der Karte zu diesem Gericht stand übersetzt und uns überraschen lassen. Das werden wir beim nächsten Mal wieder anders handhaben! Die Innereien, die es zu den Steaks und Würstchen gibt, sind für uns beide nicht das Wahre. Aber der Wein zur Begleitung ist wirklich fantastisch und macht einiges von dem teils gewöhnungsbedürftigen Geschmack wieder gut!
Auch am nächsten Tag scheint in Salta die Sonne für uns und wir beschließen auf den Hausberg von Salta zu gehen. Den Cerro San Bernardo. Von dort aus soll man einen schönen Blick auf die Stadt haben. Wir nehmen allerdings nicht die Gondel, wie so viele, um den Gipfle zu erreichen, sondern gehen über die Treppen, die sich den Berg hochschlängeln. Auf der Straße am Eingang zu den Treppen geraten wir in eine große Menschenmenge. Eine Blaskapelle spielt mit einigen schiefen Tönen einen Marsch und vor einer Tribüne voller Anzugträger führt eine Parade vorbei. Polizei, Militär, Spezialeinheiten, Feuerwehr und sogar die Küstenwache präsentieren stolz ihre Waffen und Ausrüstung! Wir haben so etwas beide noch nie gesehen und wissen auch irgendwie nicht, was wir davon halten sollen. Wir schauen uns das Spektakel noch ein bisschen länger an und machen uns dann weiter auf den Weg auf den Berg.
Der Weg über die Treppen wird begleitet von Vogelzwitschern, Grillen-Gezirpe und riesigen Spinnennetzten, die so nahe über dem Weg hängen, dass Adi des Öfteren mal das Gefühl hat, den Kopf einziehen zu müssen. Die Großen Bewohner dieser Netze braucht man nun wirklich nicht in den Locken hängen zu haben!
Der Ausblick von oben erinnert uns ein kleines Bisschen an den Ausblick von Turmberg über Karlsruhe. Nicht ganz so grün vielleicht, aber Höhe des Berges und Ausmaße der Stadt passen halbwegs zusammen. Nachdem wir abgekühlt sind und eine Kleinigkeit gegessen haben, gönnen wir uns die Gondelfahrt nach unten, um nochmal eine andere Perspektive auf die Stadt zu bekommen. Von hier oben erkennt man deutlich, wo das Geld wohnt und wo eben nicht! Am Berg stehen die Villen mit großen Pools und weiter unten im flachen, staubigen Teil stehend die Wellblechhütten, deren Dächer teils mit Steinen und alten Autoreifen beschwert sind, um die teuren Schrauben sparen zu können.
Von der Talstation aus machen wir uns wieder auf den Weg in Richtung Innenstadt und kommen wieder am Plaza de 9 Julio raus. Eines der ältesten Gebäude hier, das frühere Rathaus, ist heute das Kulturzentrum und wir latschen einfach mal hinein, um herauszufinden, ob man sich das Gebäude von innen anschauen darf. Man darf! Und wir gehen staunend durch die Räumlichkeiten. An diesem Gebäude erkennt man, dass Argentinien mal ein sehr, sehr reiches Land gewesen ist. Daran, dass alles nur oberflächlich repariert und in Stand gehalten wird, erkennt man, dass das mittlerweile anders ist.
Einen Besuch der berühmten Kirchen der Stadt verwehrt uns abermals die Siesta hierzulande. Auch Gott hat Mittagspause bis um fünf und lässt so lange Niemanden in seine Häuser! Unsere Kirchenbesichtigung wird also zu einem kleinen Stadtspaziergang mit Eis in der Waffel und wir verschieben die Kirchen auf morgen.
Der nächste Tag wird hauptsächlich zum Schrauben an den Motorrädern nachziehen, Reiseroute weiterplanen, Rücktransport anfragen und sonstigen organisatorischen Dingen genutzt. Da wir ja seit gestern wissen, dass auch die Kirchen hierzulande Mittagspause haben, machen wir uns erst spät abends auf zur Besichtigung der Kathedrale. Sie ist geöffnet, ist aber brechend voll. Na klar! Es ist heilige Woche in Argentinien, am Wochenende ist Ostern. Da sind sogar in Europa die Kirchen voller als sonst. Allerdings sitzen bei uns die Leute trotzdem nicht hinter den Säulen auf dem Boden oder quatschen lauthals miteinander, während die anderen gerade Loblieder singen. Alles ein bisschen anders hier!
Die zweite Kirche ist leer. Hier stört man als Touri niemanden und wir haben ein wenig mehr Zeit, um uns genauer umzuschauen. Auch hier merkt man, dass die Instandhaltung nur mit wenig finanziellen Mitteln betrieben wird. Über die abgeplatzten Stellen im Putz wird einfach drüber gepinselt oder sie werden einfach gleich gelassen, wie sie sind, wenn man zum Erreichen der Stelle mehr als nur eine Leiter bräuchte.
Trotzdem gefällt es uns hier richtig gut und wir sind froh, doch noch in die Kirchengebäude hineingekommen zu sein. Da es mittlerweile schon recht spät ist und die Küche des Hostels nicht allzu sauber ist, gehen wir ein weiters mal essen. Diesmal italienisch. Der Norden Argentiniens ist für seine italienisch geprägte Küche und dementsprechend für Pasta aller Art bekannt. Direkt neben unserem Hostel finden wir ein sehr gutes und erstaunlich günstiges Restaurant. Da kann man sich schon mal ein ganzes Menü gönnen! Unser Essen mit Aperitivo, Vorspeise, großem Hauptgang und köstlichem Nachtisch ist einfach ein Gaumenschmaus! In der Zwischenzeit hat es draußen angefangen zu regnen wie aus Eimern! Die Straße ist gut 30 cm mit Wasser überströmt, die Leute rennen mit den Jacken über die Köpfe gezogen an den Häusern entlang und die Busse spritzen am Vorbeifahren riesige Wellen auf die Gehwege. Auch unser Restaurant bleibt vom Wasser nicht verschont. Über dem Tisch im Eck neben uns drückt das Wasser aus der Decke, läuft an der Wand entlang runter auf Tisch und Sitzbank und fließt in Großer Menge auf unseren Tisch zu. Wir beschließen schnell zu zahlen und uns auf den Rückweg zu machen. Wir sind wirklich froh, nur 20 Meter zurück zum Hostel zu haben. Trotzdem werden wir ziemlich nass auf dem kurzen Stück. Dann im Hostel selbst die nächste nasse Überraschung. Der kleine, unüberdachte Innenhof an dem unsere Zimmer liegt, steht komplett unter Wasser und das Wasser steigt munter weiter Richtung unserer Zimmertür. Wir durchwaten den kleinen See vor unserer Tür und bringen in unserem Zimmer alles in Sicherheit, was nicht wasserdicht ist und noch auf dem Boden steht. Bald darauf wir der Regen allerdings schon wieder weniger und der Gulli tut seine Arbeit. Wir können also beruhigt schlafen gehen, ohne in einer Pfütze aufzuwachen und können uns morgen auf den Weg zur chilenischen Grenze machen!
Argentinien / Chile
Fahrt nach San Pedro de Atacama
Wir müssen wieder einmal feststellen, dass unsere Reise-WhatsApp-Gruppe Goldwert ist! Der Pass über die Grenze von Argentinien nach Chile auf unserer Höhe ist der Einzige, der für Touristen geöffnet ist. Leider haben die Regenfälle der letzten Wochen dafür gesorgt, dass auf dieser Hauptverbindungsstrecke eine Brücke weggespült wurde und die Teerstraße nun nicht mehr befahrbar ist! Laut der offiziellen Seite der Verkehrsbehörde wurde eine Umfahrung eingerichtet. Die Umfahrung ist allerdings, naja, sagen wir mal abenteuerlich. Da wir aber keine andere Wahl haben, als diesen Grenzübergang zu nehmen, werden wir die bescheidene Umfahrung wohl oder übel in Kauf nehmen müssen. Wir wollen die Umfahrung allerdings unbedingt heute noch schaffen, damit wir morgen frühzeitig am Grenzübergang sind und genügend Zeit haben über den Hohen Pass und wieder runter nach San Pedro de Atacama zu fahren. Oben wollen wir auf keinen Fall bleiben müssen, da die Grenze auf 4200 Metern liegt und der Pass auf über 4800 Meter führt. Das ist nach unserer letzten Erfahrung dann doch etwas zu optimistisch… Wir suchen uns im Voraus also einen kleinen Wildcampingplatz aus, der hinter der Umfahrung auf angenehmen 3400 Metern liegt und fahren guter Dinge in Salta los.
Der Weg von Salta weg führt uns über eine der nettesten Straßen die wir bisher in Argentinien gefahren sind. Durch fast schon Urwald-ähnliches Gebiet fahren wir auf einer wirklich winzigen Teerstraße in engen Kurven an einer Bergflanke entlang. Die Straße ist rein theoretisch zweispurig. Allerdings ist eine Spur nur so breit, dass ein Motorrad gerade so mit den Koffern zwischen die Markierungen passt. Die Mittelstriche scheinen also nur dazu da zu sein, um die Leute daran zu erinnern, dass Gegenverkehr kommen kann. Nicht zu glauben, dass das eine Nationalstraße sein soll! Und schon bald macht der grüne Berg mit seinem engen Sträßchen mal wieder der weiten Ebene Platz und die Straße wird wieder gerade und wirklich zweispurig. Wir biegen in Richtung der Berge ab und wundern uns noch, warum hier so viele Autos stehen, als Nadi plötzlich sagt: „Guck mal da links! Das sieht aus wie der Cerro de siete Colores, von dem uns schon einige Leute erzählt haben!“. Stimmt, rein theoretisch wussten wir auch, dass wir an diesem Hügel, der durch seine verschiedenfarbigen Schichten seinen Namen bekommen hat, vorbei kommen, aber wir hatten nicht damit gerechnet, dass der so gut von der Straße aus zu sehen ist. Da der Parkplatz überfüllt mit Autos und großen Reisebussen und die gesamte Straße schon zugeparkt ist, beschließen wir, das Farbenspiel von der Straße aus zu begutachten und fahren langsam weiter.
Nur ein paarhundert Meter weiter stehen LKWs auf der rechten Straßenseite und warten vor einer Absperrung. Wir fahren langsam an ihnen vorbei, bis zwei Polizisten auf uns zukommen und fragen, wohin wir wollen und woher wir kommen. Wir erklären ihnen, dass wir nach Jama zur Grenze wollen und aus Deutschland kommen. Das reicht als Aussage, um uns weiterfahren zu lassen. Wir fahren langsam ganz nach vorne zur nächsten Beamtin, sagen ihr, dass ihre Kollegen uns durchgewunken haben und werden dann von ihr darauf hingewiesen, dass die Straße blockiert sei. Dass wir das bereits wissen und die Umfahrung nehmen wollen, interessiert sie wenig. Sie lässt uns nicht durch und bedeutet uns, umzudrehen und es morgen nochmal zu versuchen. Wir versuchen unser Glück erneut und erklären der Dame, dass die Umfahrung kein Problem für uns sei, doch vergebens. Die Olle schaltet auf Stur und schickt uns weg. Was nun? Ein weiterer Motorradfahrer aus Brasilien muss auch umdrehen und fährt an uns vorbei zurück. Seltsamerweise durfte der Argentinier mit seinem bepackten Motorrad weiterfahren. Das muss man nicht verstehen.
Noch als wir am Straßenrand stehen und uns überlegen, wie es weitergeht und wo wir die Nacht verbringen sollen, kommt einer der ersten Beamten erneut auf uns zu und fragt uns weshalb wir nicht weiter fahren, es sei doch möglich hochzufahren. Er habe gerade mit irgendjemandem telefoniert und die Straße sei wieder befahrbar. Nachdem wir ihm erklärt haben, dass seine Kollegin uns nicht durchlassen wollte, ruft er dieser nur irgendetwas unverständliches zu und wir dürfen tatsächlich weiter fahren. Das war ja mal richtig nötig! Aber was soll´s, wir können heute dahin fahren, wohin wir wollen und haben ehrlicherweise nicht einmal eine halbe Stunde verloren. Das hätte auch anders laufen können.
Ab jetzt geht es hoch. Der Pass den wir nun fahren ist geteert und mit vielen schönen Kurven gespickt. Leider ist diese Hauptverbindungsstrecke etwas vernachlässigt worden, sodass in den meisten Kurven Schlaglöcher in der Größe von Auto- bis LKW-Reifen auf uns warten. Vorsicht ist also geboten. Trotzdem genießen wir es in vollen Zügen. Wir halten auf dem Weg immer mal wieder an und genießen den Ausblick.
Wir überqueren die erste Bergkette und gehen dahinter wieder runter auf ein „kleines“ Hochplateau auf gemütliche 3900 Meter. Hier kommt nun die Stelle, wo die Brücke weggespült wurde und wir die Umfahrung nehmen müssen. Laut Beschreibung des Verkehrsministeriums haben die Straßen hier tatsächlich Nummern und sind offizielle Straßen. Kaum zu glauben, wenn man sich die Piste so anschaut. Wobei hier tatsächlich sogar die Bezeichnung „Piste“ zu viel erwarten lässt. „Breiter Wanderweg“ trifft es besser. Anfangs noch hart und steinig kommen wir mit unseren Motorrädern gut voran. Allerdings hat es gestern, als uns das Wasser in Salta im Zimmer fast das Bett geflutete hat, auch hier sehr stark geregnet und die Piste wird zunehmend schlechter. Nicht lange und wir stehen vor der ersten großen Schlammpfütze. Adi fährt durch und kommt ein bisschen ins Schlingern. Ein kleiner Gas-Stoß bringt die Maschine wieder auf Kurs. Allerdings spritzt der Schlamm dementsprechend hoch und die vor zwei Wochen gewaschene Motorradhose sieht aus wie die Sau! Naja, was soll´s. Adi muss ohnehin noch einmal zurück durch die Pfütze latschen, um Nadis Motorrad rüberzufahren, weil Nadi Angst hat, ihre Maschine im Schlamm umzuwerfen. Als wir durch sind und Nadi wieder selbst fährt, kommen uns einige Autos und Kleinbusse entgegen. Wir halten an einer breiten Stelle des Weges an, an der nicht allzu tiefer Sand liegt, und lassen alle passieren. So geht es einen großen Teil der Strecke weiter. Etwa auf halber Strecke endet die Piste jedoch in einem Flussbett und nur die Spuren der anderen Fahrzeuge lässt eine Art Weg das Flussbett hinunter erahnen. Eine ganze Weile fahren wir in diesem Flussbett mit teils tiefem Sand und Schotter, bis die Piste wieder weiter geht. Die LKWs die unten warten, müssen wohl wirklich warten, bis die Straße wieder offen ist. Das wäre schwer beladen und mit Auflieger nie im Leben möglich! Ab gut zwei Drittel der Strecke wird die Straße zwar nicht breiter, aber besser. Zumindest wieder härter. Wir tauschen tiefen Sand und Flussbett gegen ausgefahrene Wege und Waschbrett. Nach einem kleinen Dorf mitten im Nirvana, wo es eine Schule gibt und mutmaßlich wirklich Menschen leben, kommen wir an eine Kreuzung, wo unsere kleine Staubpiste auf eine größere Staubpiste trifft. Das muss das letzte Stück sein! Wir haben es also fast geschafft. Guter Dinge fahren wir noch durch die ein oder andere Schlammpfütze und sehen in einigen Kilometern schon eine ewig lange Schlange von wartenden LKW. Das muss das Ende der Umfahrung sein!
Die beiden Maschinen sehen nun zwar aus wie die Sau, aber wir haben es unbeschadet und ohne Sturz und Umfaller Geschafft. Dass wir für die ca. 50 km zwei Stunden gebraucht haben, finden wir angesichts unserer vorsichtigen Fahrweise eigentlich wirklich brauchbar. Zurück auf der geteerten Hauptstraße fahren wir an den argentinischen Salzseen vorbei, die direkt an der Straße liegen. Ehrlicherweise wurde die Straße einfach quer über den Salzsee gebaut. Die Wabenstrukturen sind am Rand eindeutig zu erkennen und wir sehen auch ein paar Menschen auf der noch mit Wasser bedeckten Fläche umherlaufen. Das sieht wirklich witzig aus! Allerdings können wir den Anblick nicht wirklich genießen. Das Wetter hat umgeschlagen und wir fahren geradewegs in ein Gewitter hinein. Die Blitze gehen nur ein paar Kilometer vor uns senkrecht runter und wir beschließen, dass weder weiterfahren noch wildcampen hier auf dieser Hochebene ohne Hügel und höhere Erhebungen um uns herum, eine gute Idee ist. Ganz im Gegenteil, das ist sogar richtig gefährlich! Doch umdrehen kommt bei der Umfahrung auch nicht in Frage. Wir halten am Straßenrand an und konsultieren wie so oft auf dieser Reise die App iOverlander. Laut iOverlander gibt es tatsächlich in einem kleinen Dorf in zwei Kilometern ein Hostel. Das probieren wir! Selbst wenn nicht, sind dort wenigstens Gebäude, die höher sind als unser Zelt!
Wir werden tatsächlich fündig. Und haben gerade noch genügend Bargeld um uns das Hostel auch leisten zu können. Welch ein Glück! Als wir gerade dabei sind unsere Sachen ins Hostel zu bringen erreicht uns das Gewitter. Es regnet zwar nur schwach, aber bei den Blitzen sind wir wirklich froh in einem Haus Zuflucht gefunden zu haben. Die Besitzerin des Hostels bittet uns sogar darum die Handys auszuschalten, da diese wohl die Blitze anziehen. Während wir es uns gemütlich machen, kommen drei weitere Motorradfahrer aus Richtung Chile zum Hostel. Trotz des geringen Regens sind sie komplett nass und froh noch ein Zimmer zu bekommen. Zu Recht, denn kurz darauf klopfen drei Weitere für die tatsächlich kein Platz mehr im Hostel ist. Das Hostel ist ziemlich neu, das Bad ist eines der Besten, die wir bisher in Argentinien hatten und nachdem wir gekocht und gegessen haben, schlafen wir so gut wie schon lange nicht mehr!
Am nächsten Morgen sind wir früh wieder fahrbereit und machen uns auf den Weg für die letzten ca. 200 km bis nach Chile. Auf dem Weg zur Grenze vertanken wir noch unser restliches Bargeld. Umgerechnet etwa 4 Euro 😀 Und kommen guter Dinge noch vor 12 an der Grenze an. Doch eine schier endlos lange Schlange von Autos, LKWs und Motorrädern erwartet uns.
Also versuchen wir erst einmal unser Glück an der hiesigen Tankestelle, weil der Sprit in Argentinien einfach deutlich günstiger ist als in Chile und man hier mit Karte zahlen kann. Doch zum Glück haben wir zuvor bereits gelesen, dass es hier oft gar keinen gibt. Die teils verzweifelten Gesichter der Motorradfahrer die bereits hier stehen, bestätigen unsere Befürchtung. Es gibt tatsächlich keinen Sprit. Für uns ist das zwar ärgerlich, aber halb so wild, weil wir noch unsere 10 Liter im Ersatzkanister dabei haben. Die Jungs, die uns vorher noch mit Vollgas überholt haben, sehen das Ganze weniger entspannt. Sie scheinen keine Kanister dabei zu haben und versuchen nun bei jedem, der einen hat, ein, zwei Literchen Benzin abzuschnorren. Wir können leider nichts abgeben, weil wir selbst nicht wissen, wie die Straße weitergeht und wir auf dem Weg nach Chile noch einiges an Höhenmetern vor uns haben.
Wir stellen uns zurück in die Schlange und warten. Immer wieder geht es ein kleines Stück voran, doch alles in allem ist es seeeeeehr zäh. Um zwei Uhr geht gar nichts mehr vorwärts und uns kommt zu Ohren, dass der Pass wegen Schneefall geschlossen wurde. Wie bitte? Als würde es hier in dieser Höhe nicht öfter schneien! Anscheinend besteht auch die Möglichkeit, dass er heute noch einmal geöffnet wird. Bis vier Uhr sollen wir warten. Wenn er bis dahin nicht befahrbar ist, geht es erst morgen wieder. Also ist warten und hoffen angesagt. Einige andere Motorradler und Autofahrer sind ebenso begeistert von der Aussicht auf die Warterei wie wir und wir kommen entsprechend schnell ins Gespräch.
Die Stimmung kippt, als über den Pass von der anderen Seite drei Motorradfahrer kommen und die Grenze passieren. Sie werden fast von jedem wartenden Biker in unserer Schlange angehalten und müssen immer dasselbe berichten. Ja, oben ist es kalt und es hat angefangen zu schneien, aber es sei eine absolut schöne Straße und problemlos zufahren. Der Schnee bleibe nicht liegen. Klar, dass sich daraufhin eine große Menschenmenge auf den Weg zum Grenzhäuschen macht, um sich erklären zu lassen, warum der Pass nur in eine Richtung gesperrt ist. Doch die Grenzbeamten verziehen keine Miene. „Die Motorradfahrer seien noch über den Pass gefahren, als es noch nicht so stark geschneit hätte.“ Das der Pass mittlerweile schon seit zwei Stunden gesperrt ist und das irgendwie nicht zusammen passt, scheint sie nicht zu interessieren. „Außerdem ginge die Schließung des Passes von den chilenischen Behörden aus.“ Aus Chile kommen aber noch permanent Fahrzeuge. So ein Blödsinn!
Wir haben die Theorie, dass die Beamten heute einfach keinen Bock haben, weil Karfreitag ist und die sich einen Chilligen machen wollen. Sei´s wie´s will, die Grenze ist für heute zu! Wir müssen noch eine Nacht in Argentinien bleiben. Doch in diesem Dreckskaff gibt es weder einen Campingplatz noch freie Zimmer in einem Hostel. Ins letzte Dorf zurück geht nicht, weil uns dann der Sprit ausgeht und wir kein Bargeld mehr haben, um nochmal an der dortigen Tankstelle zu tanken. Der Spritlaster der heute hätte zu dieser Tankstelle kommen sollen, kam natürlich nicht. Wir müssen also wohl oder übel in dem kleinen, staubigen und kalten Grenzort bleiben. Und das auf 4200 m. Genau das, was wir eigentlich vermeiden wollten. Nach langem Umherfragen im Ganzen Dorf, dürften wir für jeweils 5000 chilenische Pesos in einer Garage neben einem Motorrad und zwischen unzähligen Ersatzteilen schlafen. Das sind ja mal tolle Aussichten! Wir versuchen unser Glück ein letztes Mal noch bei der Tankstelle, in deren Restaurantbereich sich viele der Gestrandeten aufhalten, um sich warm zu halten und fragen den Tankwart, ob er einen Platz wüsste, wo wir unser Zelt aufstellen könnten. „Klar, da hinter der Tankstelle ist es windgeschützt!“, kriegen wir als Antwort. Zahlen müssen wir dafür nichts. Also stellen wir unser Zelt eben für die Nacht hinter der Tanke auf. Immerhin hat das den Vorteil, dass wir die sehr sauberen Toiletten der Tanke auch mitnutzen können. Mit dem letzten Kleingeld kaufen wir hier noch heißes Wasser (das ist in Argentinien üblich, damit sie immer heißes Wasser für ihren Mate-Tee haben!) zum Kochen und für eine Wärmflasche und hauen uns auf´s Ohr.
Nach einer erstaunlich erholsamen Nacht stellen wir uns früh wieder in die Schlange und warten darauf endlich durchgelassen zu werden. Diesmal geht es sichtlich vorwärts. Dass wir uns trotzdem wieder fast vier Stunden die Beine in den Bauch stehen, bis wir endlich vorne sind, ist kein Problem, wenn wir nur einfach bitte, bitte nach Chile kommen.
Und tatsächlich wir dürfen die Grenze passieren. Die Grenzformalitäten gehen wieder halbwegs flott vonstatten und wir können endlich losfahren! Eigentlich war bisher alles gut, aber von der ganzen Warterei in der Sonne und wahrscheinlich von zu wenig Trinken hat Adi mal wieder Schädelweh. Wir beschließen also, den Pass mit seinen 4800 Metern recht flott zu überqueren, um auf der anderen Seite wieder auf angenehmen 2400 Metern anzukommen.
Die Passstraße ist landschaftlich wirklich sehr schön! Wir kommen vorbei an weiteren Salzseen, sehen am Straßenrand riesige Steinsäulen in den Himmel ragen, neben denen die weißen Sprinter-Busse aussehen wie Spielzeugautos und bestaunen wieder einmal die fast 6000 Meter hohen, schneebedeckten Berge und Vulkane. Allerdings fragen wir uns, wo der Schnee sein soll, wegen dem wir gestern hier nicht fahren durften. Weggetaut kann er noch nicht sein. Dafür ist es noch immer viel zu kalt. Wir sehen unsere Theorie bestätigt! Nach einem kurzen Foto-Stopp fahren wir weiter. Adis Schädelweh wird hier oben einfach nicht besser. Wir müssen in Zukunft besser darauf achten, genügend zu trinken und unsere Rüben gegen die Sonne zu schützen. Die knallt auf dieser Höhe einfach nochmal heftiger runter, als wir das gewohnt sind.
Wir haben uns schon im Vorfeld das Höhenprofil der Route angeschaut und gesehen, dass wir am Ende innerhalb von nur zwanzig Kilometern die restlichen 2000 Höhenmeter runter fahren werden. Wir fahren also gespannt weiter und freuen uns schon auf ein paar schöne Kurven. Doch als wir um die erste Kurve fahren, sind wir sprachlos. Das war´s! Eine Kurve! Von hier aus kann man die Straße bis nach San Pedro de Atacama sehen. „Die haben die Straße einfach nur gerade den Buckel runter gebaut! Ist das deren Ernst?“, bemerkt Nadi ungläubig durch das Headset. Nun ja, das scheint tatsächlich deren Ernst zu sein. Heißt also, niedrigen Gang einlegen und mit der Motorbremse ins Tal rollen lassen. Das funktioniert mit den Motorrädern deutlich besser als mit den LKWs. Die große Anzahl an Notfall-Auslaufspuren am Straßenrand lässt darauf schließen, dass diese Art der Straßenführung für die Bremsen großer und schwerer Fahrzeuge durchaus problematisch sein kann. Die stinkenden Bremsen der LKWs, die wir am runterwärts überholen bestätigen das nochmals eindrücklich.
Für uns fühlt es sich an, als wären wir im Landeanflug auf San Pedro. Irgendwie sehr unwirklich. Als wir schließlich in der kleinen Wüstenstadt landen und an der Tankstelle ankommen, ist die Erleichterung groß, es endlich nach Chile geschafft zu haben. Wir tanken unsere Maschinen und den Ersatzkanister wieder voll, suchen uns einen gemütlichen Campingplatz (erstaunlicherweise mitten im Grünen!?), bauen Zelt und Hängematte auf und legen nun erst einmal die Füße hoch.
Später müssen wir noch einkaufen, irgendwas essen und uns dann morgen mal Gedanken machen, was wir hier eigentlich so alles sehen wollen. Von Ela und Philip haben wir gesagt bekommen, dass wir hier unbedingt eine astronomische Tour machen sollen. Der Sternenhimmel sei einfach genial hier! Schließlich wird es ja auch einen Grund geben, weswegen die größten Teleskope der Welt in der Atacamawüste stehen. Aber all das interessiert uns jetzt erstmal herzlich wenig. Morgen ist auch noch ein Tag 😉
Chile
San Pedro de Atacama
Den Ostersonntag verbringen wir recherchierend und gemütlich im Schatten sitzend auf dem Campingplatz. Dass die Duschen hier nur kalt sind, ist bei den Temperaturen eher sogar angenehm (auch wenn Nadi diese Einschätzung nicht wirklich teilt!).
Laura und Adrian, die beiden Deutschen mit Van, die wir in Mendoza wieder getroffen, aber in Salta knapp verpasst haben, sind gerade auch in San Pedro und wir beschließen gemeinsam etwas zu unternehmen. Wir fahren gemeinsam in deren Van zu einigen Aussichtspunkten außerhalb der Stadt, von wo aus man tatsächlich erkennt, dass wir hier in der Wüste sind.
In San Pedro vergisst man das ganz gern, weil hier wirklich viel Grün ist. Eine kleine auf den ersten Blick teils heruntergekommene Oase. Auf den zweiten Blick verstecken sich hinter den Lehm-Fassaden und dem bröckelnden Putz teils sehr noble Hotels mit Pool und Restaurants in denen man es sich richtig gut gehen lassen kann. Wir verbringen einige gemütliche Tage hier, gehen essen, Kaffee trinken machen unsere alltäglichen Besorgungen und bereiten die Motorräder ein bisschen auf die Herausforderungen in Bolivien vor. Adi konnte sogar vor Ostern noch von Salta aus, einen neuen Vorderreifen für sein Motorrad bestellen und nach San Pedro in die Packstation schicken lassen. Erstaunlicherweise kommt der sogar früher an als das prognostizierte Lieferdatum! Auch nett, wenn mal etwas schneller klappt als erwartet!
An unserem letzten Abend in San Pedro machen wir gemeinsam mit Laura und Adrian eine Sternguck-Tour. Wir fahren mit einem Kleinbus in der Dunkelheit über Schotterpisten zu einem Platz außerhalb der Stadt. Hier empfängt uns zwischen Teleskopen und Tischen mit Snacks und Getränken unser Sternführer. Zu Beginn bekommen alle ein Glas Wein oder Pisco Sour. Das helfe ungemein, um sich die Sternbilder besser vorstellen zu können! Je länger wir hier im dunklen sitzen, desto besser können die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen und man sieht immer mehr Sterne! Alberto, der Astronom, der unsere Führung durch die Galaxien und Sterne macht, erklärt uns viel über die Sternzeichen, den Unterschied zwischen Nord- und Südhalbkugel und stellt uns die Teleskope auf immer wieder neue Sternnebel, Galaxien und winzige Bereiche der riesigen Sternbilder ein. Wir sind wirklich begeistert, wie deutlich und wie viele Sterne man mit diesen großen Ferngläsern sehen kann!
Die Namensgebung und die verschiedenen Formen der einzelnen Formationen sind jedoch teils wirklich nur mit genügend Wein nachvollziehbar! Dass wir, wie Alberto meint, nicht den perfekten Zeitpunkt zum Sterne gucken ausgesucht haben, weil man später im Jahr noch mehr von der Milchstraße sehe, finden wir nicht so schlimm. Die Bilder die wir versuchen mit der Kamera oder dem Handy zu machen, sind allerdings gründlich für die Tonne! Gott sei Dank ist Alberto vorbereitet und macht ein paar schöne Aufnahmen mit einer großen Kamera, Stativ und langer Belichtungsdauer, damit man auch ordentlich was zu sehen hat auf den Fotos. Nachdem unsere zehnköpfige Gruppe den Tisch mit den Snacks gründlich geleert hat, geht es auch schon wieder mit dem Bus zurück zum Campingplatz und wir verkriechen uns in unsere warmen Schlafsäcke.
Am nächsten Tag packen wir unsere Sachen zusammen, kontrollieren nochmal alle Schrauben an den Motorrädern, gehen noch einmal schön, kalt duschen und machen uns auf den Weg Richtung Norden. Wir wollen uns mit Laura und Adrian kurz vor dem Eingang zum Nationalpark der Geysire treffen und dort gemeinsam wildcampen. Der Weg dorthin führt vorbei am Kaktus Valley. Einem kleinen Canyon, in dessen Tal einige Kakteen stehen. Allerdings haben wir in Nordargentinien schon mehr Kakteen gesehen, die auch deutlich größer und dichter beieinander standen. Deswegen fahren wir eher unbeeindruckt weiter. Als wir einige Kilometer weiter an einer Lagune vorbeifahren, halten wir aber dann doch an. Ist das da hinten nicht ein Flamingo? Tatsächlich! Und dieses Mal ist er noch viel näher als die, die wir auf dem Weg nach Ushuaia gesehen haben! Mutterseelenallein steht er im Wasser und posiert für uns. Nachdem wir einige Bilder gemacht haben, fahren wir weiter. Nur um hinter der nächsten Kurve eine ganze Gruppe von Flamingos zu sehen, die an unserem Ufer des Sees, quasi direkt an der Straße stehen. Sogar mit bloßem Auge kann man die Vögel jetzt wirklich gut beobachten und erkennt sogar fast schon die einzelnen Federn! Wir halten nochmal an und machen Bilder und bestaunen die pinken Tiere, die so unbeeindruckt von uns nur ein paar Meter weg stehen.
Nachdem wir wieder viel zu viele Bilder gemacht haben, geht es weiter. Die Steigung die es jetzt hoch geht, hat es in sich. Jetzt merken sogar unsere Maschinen die Höhe. Bisher waren die Steigungen nicht so ordentlich. Aber auf über 4000 Metern lässt die Leistung dann doch etwas nach. Wir kommen trotzdem problemlos oben an und fahren auf einem weiteren der vielen Hochplateaus auf die Geysire zu. Als wir an dem von uns ausgesuchten Wildcampingplatz ankommen, halten wir nach dem weißen Van von Laura und Adrian Ausschau. Doch entweder sind die beiden noch nicht hier oben, oder sie sind weiter gefahren. Von hier aus können wir allerdings schon die Häuschen am Eingang des Geysir-Nationalparks sehen. Der liegt doch tatsächlich etwas unterhalb von uns. Wir fahren also runter, und siehe da, der weiße Sprinter steht hinter der Schranke auf dem Parkplatz vor den Park-Häusern. Wir stellen die Motorräder ab und laufen rein. Adrian kommt uns schon entgegen und erzählt, dass die beiden schon alles mit den Rangern geklärt haben. Wir dürften zwar nicht auf dem Parkplatz neben ihrem Bus schlafen, aber es gibt ein altes Kartenhäuschen, in dem wir unser Zelt aufstellen dürfen. Dort würden uns die Touris nicht sehen. Es ist wohl doch eher halblegal, was wir hier machen. Allerdings sind die Ranger ja damit einverstanden und wir dürfen sogar die wirklich sauberen Toiletten der Anlage benutzen, die nachts für uns geöffnet bleiben. Und das Beste ist, es gibt sogar Strom und Licht in unserer kleinen Hütte und wir können all unsere Gerätschaften über Nacht aufladen! Nachdem wir gemütlich gegessen haben, machen wir uns einen gemütlichen Spieleabend mit Laura und Adrian in deren Van, trinken Bier und haben es lustig.
Am nächsten Morgen heißt es dann früh aufstehen. Der Park öffnet zwischen sechs und halb sieben und uns wurde geraten, spätestens um halb sieben am Ticketschalter zu sein, damit wir rechtzeitig zum Sonnenaufgang bei den Geysiren sind. Wir stehen also um fünf auf, packen unser Zeug zusammen und machen alles abfahrbereit. Dankenswerterweise nehmen uns unsere beiden Van-Reisenden das Stück bis zu den Geysiren im Auto mit. Im Dunklen wäre die Straße mit den Motorrädern etwas abenteuerlich. Wir sind nicht allein! Massen an Touristen aus San Pedro, sei es privat oder in Bussen, strömen auf die ausgeschilderten Wanderwege zu den Geysiren. Anfangs ist es noch so dunkel, dass man viele der Dampfwolken in der Ferne nur erahnen kann.
An die größten kann man allerdings sehr nahe herangehen. Und wenn der Wind falsch steht, bekommt man sogar etwas von dem warmen Wasser ab, dass die Erde hier ausspuckt. Beim Belauschen eines Vortrags von einem der Reiseleiter erfahren wir, dass man hier so nahe an die Geysire treten darf, weil hier oben eines der wenigen Gebiete sei, wo diese keine giftigen Dämpfe ausdünsten. Etwas schwindelig wird es einem trotzdem. Ob es nun am Schwefel oder der Höhe liegt, wissen wir nicht ganz genau, aber wir schieben es mal auf den leichten Gestank nach faulen Eiern.
Als die Sonne über den benachbarten Berggipfeln aufgeht, sieht man die Dampfsäulen überall in dem Gebiet um uns herum aus dem Boden aufsteigen. Manche der Geysire spucken in unregelmäßigen Abständen kleine Wasserfontänen in die Luft, andere brodeln und spucken die ganze Zeit vor sich hin. Wir sind schwer beeindruckt von dem Naturschauspiel und machen auch hier wieder viel zu viele Bilder und Videos.
Nach zwei bis drei Stunden sind wir wieder zurück auf dem Parkplatz der Ranger und sind fast allein. Die Touris in ihren Autos und den Bussen sind alle wieder weg und wir können ungestört in der wärmenden Sonne frühstücken. Während wir frühstücken, hören wir hinter uns das tiefe Bollern eines Auspuffs und das hohe Pfeifen eines Motors. Klingt nach einer Africa Twin! Und tatsächlich, als wir uns umdrehen, stehen zwei nagelneue Hondas hinter uns und die Fahrer der Maschinen schauen uns erstaunt an. Ein etwas älterer Mann und eine junge Frau. „Woher wir kommen und wohin wir noch gehen, wollen sie von uns wissen. Wie zufrieden Adi mit seiner Honda ist und warum Nadi nicht auch eine Honda fährt, sondern BMW?“ Sie kommen, wie so viele mit großen Maschinen, aus Brasilien. Allerdings sind diese beiden die Guides einer geführten Motorradtour von Honda-Brasilien. Der Mann drückt Adi gleich seine Visitenkarte in die Hand und meint wir können uns gerne bei ihm melden, falls wir irgendetwas brauchen. Außerdem sollen wir uns auf jeden Fall bei ihm melden, wenn wir in Cusco sind. Er ist Markenbotschafter von Honda und sei dort im Mai. Das könnte mit unserem Zeitplan zusammenpassen. Die Frau stellt er uns als Weltranglisten-Dritte im Hard-Enduro-Bereich vor. Der Rest der Tour habe sich wegen der Kälte im Begleitfahrzeug von San Pedro zu den Geysiren fahren lassen. Nachdem wir mit allen geredet, Bilder und Videos für deren Instagram-Kanal gemacht haben, fahren die Brasilianer fröhlich weiter und wir kehren zurück zu unserem Frühstück. Es ist immer wieder erstaunlich, wie leicht man mit den Leuten ins Gespräch kommt, nur weil man mit zwei voll bepackten Motorrädern unterwegs ist!
Wir packen unsere Sachen zusammen und kehren den Geysiren den Rücken. Wir wollen heute noch kurz nach Calama zum Einkaufen und dann noch ein Stück Richtung bolivianische Grenze fahren. Wir wollen nicht länger in Calama bleiben, weil die Diebstahlrate dort sehr, sehr hoch sein soll. Wir fahren auf den Parkplatz eines riesigen Super- und Baumarktes und noch bevor wir absteigen können, kommt ein Security-Mann auf einem Fahrrad zu uns und sagt, wir könnten hier nicht stehen bleiben. Das sei zu unsicher! Wir sollen auf jeden Fall weiter zum Eingang fahren. Dort sei es sicherer. Anscheinend waren die Warnungen vor dieser Stadt nicht ganz unberechtigt. Wir erklären ihm jedoch, dass wir immer zu zweit bei Van und Motorrädern bleiben werden, während die anderen beiden einkaufen gehen würden. Das ist dann ok für ihn und wir dürfen stehen bleiben.
Wie immer dauart es in diesen Monster-Läden länger als man denkt. Erst nach zwei Stunden haben wir all unsere Sachen beisammen. Aber schließlich können wir noch tanken und machen uns auf den Weg aus der Stadt. Ca. 40 km außerhalb finden wir einen kleinen Platz für die Nacht und richten uns ein. Es ist zwar nur ein paar Meter von der Straße entfernt, aber der Weg dorthin ist mit sehr tiefem Sand wirklich bescheiden zu fahren. Sogar Laura und Adrian fahren nicht weiter rein, aus Angst hängen zu bleiben. Wir sind nach dieser Erfahrung jedenfalls froh, die Laguna-Road nicht gefahren zu sein. Das wären mehrere Tage auf solchem Untergrund gewesen. Das hätte uns keinen Spaß gemacht!
Am nächsten Tag stellt sich leider heraus, dass die Standheizung des Vans von Laura und Adrian den Geist aufgegeben hat. Zwar probieren sie alles, um das Ding zu entlüften und doch noch ans Laufen zu bekommen, aber das drecks Ding will einfach nicht. Das heißt für uns, dass wir die Grenze nach Bolivien doch nicht gemeinsam überqueren, wie ursprünglich geplant. Die beiden fahren wieder zurück in die Stadt und versuchen die nötigen Dinge zu besorgen, um die Heizung wieder ans Laufen zu bekommen. Wir fahren weiter Richtung Norden und wollen heute noch Ollagüe, den chilenischen Grenzort erreichen. Wir verabschieden uns von den beiden und hoffen, dass wir uns in Uyuni wieder sehen!
Die Teerstraße zur Grenze führt uns wieder vorbei an kleinen Lagunen, großen Salzebenen, auf denen auch tatsächlich mit schwerem Gerät Salz abgebaut wird und kommen schließlich relativ frühzeitig in Ollagüe an.
Wir versuchen mit unserem restlichen Bargeld ein Hostel zu finden. Leider können wir im ersten Hostel nicht bleiben. Das Zimmer kostet 30.000 Pesos. Wir haben aber nur noch 28.000. Dollar werden von der netten Frau nicht akzeptiert und die Bank zu der sie uns schickt, um Geld abzuheben, akzeptiert nur chilenische Karten. Pech gehabt… Es gibt allerdings noch ein weiters Hostel, das Dollar annimmt. Wir versuchen unser Glück dort. Adi geht rein, fragt die Besitzerin, ob auch Dollar möglich wären und sie nickt. Das Zimmer ist zwar sauber und es gibt heißes Wasser und WLAN, aber 54 Dollar sind trotzdem happig. Naja, hilft ja nix, es gibt hier ja keine andere Möglichkeit. Das Zelt irgendwo aufzustellen ist auch eher zwecklos, da der Wind recht stark bläst und wir nicht in einem der halb eingestürzten Bahnhofsgebäude schlafen wollen. Außerdem ist der Bahnhof einer der wenigen, die tatsächlich noch in Betrieb sind. Der Zug wird tatsächlich noch für den Salzabbau genutzt, weswegen wir uns lieber vom Bahnhof fernhalten. Adi sagt der Hostel-Besitzerin, dass er seine Frau abholt und in wenigen Minuten wieder kommt und fährt zurück zu Nadi, die noch vor dem anderen Hostel wartet. Als wir mit den Maschinen vor dem Hostel stehen, ist die Eingangstür abgeschlossen und selbst nach mehrmaligem klingeln macht niemand auf. „Sag mal will die Alte mich eigentlich verarschen?!“, mault Adi vor der verschlossenen Tür. Wenn die Olle uns nicht haben will, dann soll sie es einfach gleich sagen und uns nicht einfach raus sperren! So eine Unverschämtheit! So viel zur landeseigenen Gastfreundschaft, die von allen Chilenen immer so hoch gelobt wird… Wir gehen also stinksauer wieder und suchen nach einer anderen Möglichkeit, die Nacht zu verbringen. Anscheinend gibt es noch ein drittes Hostel in dem Dorf. Aber, oh welch Wunder, auch die Dame ist nur wenig begeistert uns gegen Dollar aufzunehmen. Sie wisse nicht, wie der Wechselkurs sei. Auf die Frage, ob sie den nicht Googlen könne, meint sie, sie hätte kein Signal. Ja klar. Dann glauben wir das halt auch noch. „Leckt mich doch alle am Arsch in eurem Scheiss-Kaff!“ mault Adi nun noch lauter als noch vor der Tür des anderen Hostels. Verstehen tut uns eh keiner und mehr als uns nicht rein lassen können sie auch nicht mehr. Also, egal!
Eine nette alte Dame, die Adi auf der Straße anquatscht, sagt uns, dass es vor den öffentlichen Banos ein überdachtes Patio gibt, wo man ein Zelt windgeschützt aufstellen könne. Na, dann schauen wir uns das mal an. Die Bäder sind erstaunlich sauber. Und es gibt sogar Duschen mit warmem Wasser. So langsam wird’s doch! Als sich Nadi unseren potenziellen Platz für die Nacht ansehen geht, kommt sie relativ lange nicht zurück. Als sie dann doch zurückkommt, ist sie in Begleitung eines Mannes mit grauen Haaren. Sie grinst und sagt: „Das ist Marcelo aus Santiago. Er ist auch Bauingenieur und renoviert die Schule hier und hat einen Bürocontainer, den er nicht nutzt. Er würde uns den Schlüssel geben damit wir darin schlafen können!“. Wow, das hatten wir nicht erwartet. Marcelo zeigt uns den Container, bei dem wir auch unsere Motoräder, weg von der Straße, abstellen können. Der ist gedämmt, hat Licht und Strom und wir können ihm den Schlüssel einfach morgen wieder geben, wenn wir weiter fahren. Krass! Da ist sie wieder, die Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft, die wir in Südamerika schon so häufig erfahren durften.
Über den Abend verteilt taucht er immer wieder auf und fragt, ob alles in Ordnung sei, und wir reden über Gott und die Welt. Und für seine Hilfe will er nichts als ein Foto mit uns. Das kriegen wir hin!
Die Nacht in dem Bürocontainer ist sehr erholsam und nach dem Frühstück am nächsten Morgen gehen wir beide erst einmal ausgiebig warm duschen! Mit unserem letzten Bargeld können wir sogar an einer Haustür noch 10 Liter Sprit kaufen, damit der uns nicht auf dem Weg nach Uyuni ausgeht.
Der Grenzübertritt ist absolut problemlos. Die chilenische Seite hat eh nie Probleme bei der Ausreise und die Bolivianer nehmen alles zwar sehr genau, lassen uns aber letztlich passieren, ohne unser Gepäck kontrolliert zu haben. Die Landschaft ist logischerweise noch die gleiche, lediglich die Straßenverhältnisse ändern sich schlagartig. Vorhin noch Asphalt, fahren wir jetzt auf einer halbwegs festgefahrenen Sandpiste. Etwas gewöhnungsbedürftig, da diese doch nochmal weicher ist, als das, was wir bisher so kannten, aber wir tasten uns langsam heran. Die ersten 80 Kilometer gehen so kurvig und hügelig Richtung Uyuni. Plötzlich sieht man die Vorbereitungen für eine nagelneue Teerstraße. Ein Topfebenes Planee neben unserer Sandpiste. Das wird uns wohl nix mehr bringen, aber die Straße wird mal richtig schön. Ein paar Kilometer weiter können wir unser Glück kaum fassen. Wir fahren tatsächlich auf eine komplett neu asphaltierte Hauptstraße! Das beste Stück Straße, das wir auf unserer gesamten Reise bisher hatten! Wir fahren eine ganze Weile auf der nagelneuen Straße, bis wir einen Platz finden, wo wir unser Zelt inmitten von niedrigen Büschen und unzähligen LLamas aufstellen können.
Unseren ersten Abend in Bolivien genießen wir wildcampend mit einer gigantischen Aussicht und umgeben von sehr neugierigen und nahe kommenden LLamas. Wir fühlen uns sauwohl und haben das Gefühl, dass uns Bolivien ein herzliches Willkommen schenken möchte!