Februar

2024

Argentinien

Ushuaia

Unseren ursprünglichen Plan, den Torres del Paine Nationalpark von Puerto Natales aus anzufahren verwerfen wir sofort wieder, nachdem wir einen Blick auf die Wettervorhersage geworfen haben. Das Wetter für die nächste Woche wird uns durchweg als regnerisch prognostiziert. Da wir ohnehin noch nichts reserviert haben, werden wir also auf besseres Wetter hoffen, wenn wir auf dem Weg in den Norden wieder daran vorbei fahren.

Wir beschließen also kurzerhand nach einer Nacht in Puerto Natales unser Zelt abzubrechen und uns weiter auf den Weg in den Süden zu machen. Ushuaia rückt in greifbare Nähe. Naja, zumindest rückt es näher. Bis dorthin sind es immer noch stattliche 800 Kilometer. Wir sind gespannt, ob es tatsächlich stimmt, dass die Straße bis Ushuaia geteert ist. Ab jetzt kommt ohnehin noch ein neuer Faktor ins Spiel, den wir bisher noch nicht wirklich zu berücksichtigen hatten: der Wind. Dieser kann hier im Süden für Motorradfahrer richtig gefährlich werden. Uns wird erzählt, dass der Seitenwind oft so stark ist, dass die Motorradfahrer mit fast 45° Schräglage fahren müssen, um geradeaus fahren zu können. Doch wir haben mal wieder richtig Dusel! Wenn wir anhalten, bemerken wir zwar, dass der Wind recht stark bläst, allerdings scheinen wir Rückenwind zu haben, was die Windgeräusche im Helm und den Spritverbrauch der Maschinen deutlich reduziert! Und da die Straßen in diesem Teil Patagoniens durch topfebenes Gelände führen, sind sie bolzgerade und ändern nur selten ihre Richtung. Immerhin für den Wind ist das gut. Allerdings hat man sich an der pampaartigen Landschaft und den kilometerlangen Geraden der Straße recht schnell satt gesehen. Immerhin sorgen die vielen Guanacos und Nandus, kleine, straußenartige Vögel, für ein wenig Abwechslung. Manche der wilden Tiere sind auch hier wieder völlig unbeeindruckt vom Verkehr und lassen sich beim Überqueren der Straße nicht hetzen. Also heißt es öfters mal schnell von 120 km/h auf null zu bremsen, um die Viecher nicht zu überfahren. Als wir an einer kleinen Lagune vorbei fahren, schaut Nadi nach links und sagt mit fast schon gelangweilter Stimme: „Guck mal da drüben stehen Flamingos.“ Und dann fährt sie unbeeindruckt einfach weiter!? Adi schaut nach links, sieht die pinken Tiere (mindestens sechs an der Zahl) und macht erneut eine Vollbremsung! „Halt sofort an, ich muss ein Foto machen!“ schallt es durch die Kopfhörer des Headsets von Nadi. „Ich hab noch nie Flamingos in freier Wildbahn gesehen!“ Dass die Tiere selbst für den guten Zoom der kleinen Kamera weit entfernt sind, ist völlig zweitrangig! Der Funke der Begeisterung über die Flamingos springt noch immer nicht so richtig auf Nadi über und sie fängt nur an zu lachen und meint, dass da noch viele weitere kommen werden, die vermutlich auch näher an der Straße stünden. Adi ist das wurscht und es wird höchst professionell die Kamera gezückt!

Gott sei Dank hören die Vögel nicht, wie sie von Nadi geringgeschätzt werden!

Nachdem die Flamingos für die Nachwelt auf SD festgehalten wurden, fahren wir weiter auf der erstaunlich guten Straße. In einem kleinen Dorf nahe der Abzweigung nach Punto Arenas sehen wir aus dem Augenwinkel zwei kleine, bepackte Motorräder auf einem Parkplatz am Straßenrand stehen. Haben die nicht sogar kolumbianische Kennzeichen und seitliche Regale an den riesigen Topcases? Wir beschließen umzudrehen und nochmal nachzuschauen. Wir sind noch nicht mal auf den Parkplatz gefahren, kommt Philipp uns schon winkend entgegen. Haben wir sie also doch erkannt! Philipp und Ela haben die gleiche Strecke auf der argentinischen Seite und ohne Fähre zurückgelegt, seit wir uns in La Junta getrennt haben. Die beiden wollen auch in ein paar Tagen in Ushuaia sein, müssen aber vorher noch Ersatzteile in Punto Arenas besorgen. Bestimmt kreuzen sich unsere Wege nochmal in Ushuaia.

Gut gelaunt fahren wir weiter und kommen zwei Stunden später bereits an der Fähre an, die uns den kurzen Weg von Punta Delgada nach Punta Espora bringt. Willkommen in Feuerland! Wir wissen nicht genau, wie wir uns Feuerland eigentlich vorgestellt haben, auf jeden Fall nicht so. Wer eine spektakuläre Landschaft erwartet, wird definitiv enttäuscht. Feuerland unterscheidet sich hier nicht von den 400 km Pampa die wir bereits hinter uns haben. Kilometer um Kilometer nichts als staubtrockene, ebene Steppenlandschaft. Einige Kilometer weiter erreichen wir das kleine Dorf Cerro Sombrero. Hier soll es einen kleinen, windgeschützten und obendrein kostenlosen Campingplatz geben. Als wir dort ankommen, stehen einige Zelte schon in den großen, voneinander abgetrennten Parzellen. Es ist dennoch genügend Platz, um auch uns ein windgeschütztes Plätzchen zu bieten. Auch wenn der Zaun der als Windschutz aufgestellt wurde, nicht überall seinen Zweck erfüllt hat. Über eine Länge von fast 15 Metern wurde der fast 3 Meter hohe Zaun einfach umgeblasen. Ein paar Holzpfähle zur Unterstützung, damit er nicht ganz auf den Boden fällt, machen die Konstruktion nicht wirklich vertrauenserweckender. Nach einem schnellen Essen, Nudeln mit Pesto, und einem Bier zum Sonnenuntergang, gehen wir müde von der langen Fahrt schlafen.

Man kann erkennen, warum ein Windschutz-Zaun angebracht ist, auch wenn er nicht mehr überall stehen bleibt

Am nächsten Tag stellen wir fest, dass ein weiteres Zelt in der Nacht auf dem Platz dazugekommen ist. Jorge, ein chilenischer Motorradfahrer, den wir auf der Fähre nach Puerto Natales kennengelernt haben, hat heute Nacht noch sein Lager aufgeschlagen. Kurzerhand beschließen wir, die restliche Strecke von ca. 450 km nach Ushuaia gemeinsam zu fahren. Nachdem wir die Grenze nach Argentinien überquert haben, macht sich bei uns allen dreien der Hunger bemerkbar. Wir gehen also in Rio Grande ein riesenhaftes, traditionelles Sandwich essen. Jorge besteht darauf, uns einzuladen und wir einigen uns darauf, dass wir uns in Ushuaia revanchieren, bevor wir uns wieder auf den Weg machen.

Circa 100 Kilometer vor Ushuaia ändert endlich die Landschaft. Wir verlassen die ewige Weite der Pampa und fahren immer mehr in eine Landschaft, die mit ihren hohen Bergen und kurvigen Straßen der Schweiz ähnelt. Oder vielleicht doch eher Norwegen mit all den Fjorden und Buchten. Egal, uns gefällt es hier richtig gut und wir freuen uns über jede Kurve die uns näher an Ushuaia bringt.

Die fahrbaren Untersätze unserer Schnell-Reisegruppe

Hinter einer Rechtskurve dann schreit es Adi ins Ohr „Film, film, film! Wir sind da!“ Adi hat kaum Zeit seine Kamera einzuschalten, als wir auch schon durch die, bei Motorradreisenden so berühmten beiden Säulen hindurch fahren, auf denen in großen Buchstaben „USHUAIA“ steht. Wir beschließen, bei dem super Wetter erst einmal durch die Stadt hindurch und noch weiter bis ans Ende der Straße, der Ruta 3, zu fahren. Da wir kurz vor Schließung des Nationalparks ankommen, zahlen wir noch nicht einmal den Parkeintritt und können ohne Menschenmengen Bilder vom Ende der südlichsten Hauptstraße der Welt machen! Irgendwie fühlt sich das noch sehr unwirklich an. Wir sind jetzt doch schneller in die Südlichste Stadt der Welt gekommen, als noch vor zwei Wochen erwartet.

Ab hier nur noch zu Fuß. Der südlichste, mit dem eigenen Fahrzeug zu erreichende Punkt der Welt

Eigentlich wollten wir uns heute Abend noch mit Zeta, dem verrückten Kerl auf der großen Teneré, in der Stadt auf ein Bier treffen, allerdings ist es bereits nach 8 Uhr als wir uns auf den Rückweg in die Stadt machen und wir müssen noch ein Hostel, ein Cabana oder einen Campingplatz finden. Zur Feier des Tages wollten wir uns eigentlich eine Unterkunft gönnen, haben aber nichts vorgebucht und Ushuaia ist dann doch deutlich größer als wir gedacht hätten. Zudem haben wir noch kein Internet, da wir erst heute die Grenze zu Argentinien passiert haben. Das Treffen müssen wir also leider auf den nächsten Tag verschieben. Die beiden Hostels die wir anfahren, sind nichts für uns. Wir haben keinen Bock in Mehrbettzimmern zu pennen und leider sind alle Cabanas bereits belegt. Also wird es doch der kleine Campingplatz am Ende einer Schotterstraße. Es stehen viele kleine Zelte dort und fast genauso viele Motorräder. Wir fühlen uns schon beim Hineinfahren richtig wohl. Allerdings ist nur der Motorradparkplatz groß genug, um unser Zelt dort aufstellen zu können. Also werden kurzerhand alle Motorräder zu Seite geschoben und wir schlagen beim letzten Tageslicht noch unser Lager auf.

Wir sind wirklich froh uns für diesen Campingplatz entschieden zu haben. Die Duschen hier sind neu und wirklich warm, der Aufenthaltsraum mit einer voll ausgestatteten Küche ist groß und immerhin halbwegs warm und zudem ist der Zeltplatz richtig günstig. Adriana, die Besitzerin des Platzes, macht außerdem noch mit das beste Brot in der Gegend, Empanadas und große Pizzen und das Internet im kleinen Laden ist so schnell, dass alle die hier vor Ort arbeiten müssen oder Dinge hochladen wollen (wie zum Beispiel einen Reisebericht 😊) überall verteilt sitzen und in ihre Laptops glotzen.

Am nächsten Morgen schlafen wir erst einmal richtig lange aus. Nadi natürlich noch viel länger als Adi. Da es hier nun doch, auch trotz gutem Wetter, spürbar kälter ist, hält man es auch tagsüber gut im Zelt aus. Nachmittags beschließen wir dann allerdings doch, das gute Wetter auszunutzen und machen uns direkt vom Zeltplatz aus auf zu einer kleinen Wanderung. Wie schon so oft zuvor zu einem weiteren kleinen Gletscher. Die ersten Teile der Wanderung führen durch eine wirklich malerische Landschaft mit einem kleinen Fluss, vielen gelb blühenden Blumen und einem super Blick auf den Gletscher den wir besteigen wollen. Der Aufstieg selbst ist ganz nett, aber nichts Besonderes. Und auch die Aussicht von oben ist nicht die beste, die wir bisher hatten, da man nur zwischen den umliegenden Bergen hindurch schauen kann. Gelohnt hat es sich trotzdem. Wir latschen ein bisschen auf dem Eis des Gletschers herum und genießen es, das erste große Ziel unserer Reise erreicht zu haben. Ushuaia, wir sind wirklich hier!

So idyllisch hatten wir es ehrlicherweise nicht erwartet! Und das nur 10 Minuten vom Zeltplatz entfernt
Steine gab´s und wenig Brot. Das Wetter hat umgeschlagen. Das sei so üblich in Ushuaia wird uns versichert

Als wir wieder zurück auf dem Campingplatz sind, erfahren wir von anderen Leuten hier, dass wir bei diesem Gletscher in eine Eishöhle klettern hätten können, wenn wir nach der kleinen Lagune am Fuß der Gletscherzunge nicht rechts, sondern linksherum auf das Eis gegangen wären. Schade, aber sowas kommt halt vor, wenn man planlos loswandert und schaut, wo man rauskommt.

Viel Zeit Trübsinn zu blasen haben wir ohnehin nicht. Wir sind mit Zeta und Jorge in der Stadt zum Essen verabredet. Also kurz noch unter die Dusche gehüpft und auf geht’s mit dem Motorrad in die Innenstadt. Leider liegt der Campingplatz zu weit außerhalb, als dass man die Strecke zu Fuß laufen könnte. Das bedeutet auch: kein Bier für Adi heute. Dass es in Ushuaia super einfach und dazu auch noch supergünstig ist mit Uber von A nach B zu kommen erfahren wir leider erst zu spät. Dafür gibt es heute unser erstes richtiges argentinisches Rindersteak. Mindestens 400 g muss hier ein Steak haben und die Beilagen spielen eine eher untergeordnete Rolle. Eigentlich wollen wir die beiden zum Essen einladen, aber die beiden schauen uns nur verständnislos an und bestehen darauf uns schon wieder einzuladen. Uns bleibt also nichts anderes übrig als uns zu bedanken und die beiden herzlich einzuladen uns in Deutschland zu besuchen, damit wir sie dort zum Essen einladen können. Hoffentlich können wir uns später doch noch irgendwie bei den beiden revanchieren!

Damit uns auch gelglaubt wird, dass wir tatsächlich da sind
Ein sehr netter Abend unter Motorradfahrern mit viel Fleisch und Wein

Tags drauf sind wir wirklich froh, den halbwegs warmen Aufenthaltsraum zu haben. Es schüttet wie aus Kübeln und wir beschließen heute einfach mal nichts zu machen, außer vielleicht ein bisschen Reisebericht zu schreiben. Selbst zum Essen kochen sind wir zu faul und lassen uns die selbstgemachten Empanadas von Adriana schmecken. Philipp und Ela haben leider weniger Glück. Die beiden haben ausgerechnet für heute geplant in Ushuaia anzukommen. Pitsch nass und durchgefroren kommen sie abends auf dem Campingplatz an. Von der wunderschönen Bergwelt um sie herum ist nichts zu sehen. Und nachts wird es dann noch richtig kalt. Und der nächste Tag wartet mit einer Überraschung für uns auf. Es hat geschneit!

Naja, nicht direkt auf dem Zeltplatz, aber alle Berggipfel sind mit weißem Puder bedeckt
Kleiner Stock, großes Loch

Nachdem es wieder aufgehört hat zu schneien und sich die Sonne wieder zeigt, soll die nächste Wanderung gemeinsam mit Philipp und Ela zur Laguna Esmeralda gehen. Die Lagune soll sehr schön sein und wenn man an ihr vorbei den Berg weiter hoch geht, kann man über ein Geröllfeld zu einem weiteren Gletscher kommen. Das Wetter für diese Wanderung soll perfekt werden. Nicht zu warm, nicht zu kalt und sonnig. Als wir uns morgens für den Aufbruch bereit machen und schon die Helme aufsetzen, um zum Startpunkt, ein paar Kilometer außerhalb von Ushuaia zu fahren, hören wir auf einmal einen lauten Knall! Was war das denn? Erst beim zweiten Blick fällt uns auf, dass ein kleiner Ast neben unserem Zelt liegt, der vorher noch nicht da war. Dann bemerken wir, dass unser Zelt ein Loch im Dach hat. Der drecks Stock ist so saublöde auf das gespannte Zeltdach gefallen, dass er dieses und den darunter liegenden Himmel des Innenzeltes durchschlagen hat. Scheiße! Einen kleinen Stimmungskiller könnte man das nennen. Also, Planäderung! Anstatt wandern zu gehen, versucht Adi in der Stadt die benötigten Dinge zu besorgen, um das Zelt zu flicken, während Nadi auf das Zelt aufpasst. Tatsächlich wird er in einem kleinen Laden in der Stadt fündig. Neben wasserdichtem Stoff und Klebstoff, um die Außenhaut wieder dicht zu bekommen, besorgt er außerdem noch in eine riesige Portion an Schokolade. Mit so viel Schokoladenkuchen und Brownies sieht die Welt doch gleich wieder etwas schöner aus! Während Adi das Außenzelt flickt, beweist Nadi ihre Nähkünste bei der Wiederherstellung des Innenzeltes. Abends, als Ela und Philipp wieder zurückkommen, sind wir auch endlich fertig und wieder voll eingerichtet. Sogar von den Brownies ist noch ein kleines Stück für die beiden Wanderer übrig geblieben. Naja, dann gehen wir halt einen Tag später zur Lagune…

Doch nichts, was man nicht reparieren könnte

Der Weg vom Parkplatz bis zur Laguna Esmeralda gleicht einer Ameisenstraße. Zumindest verglichen mit unseren bisherigen Wandererfahrungen in Südamerika. Allerdings geben sich die meisten Leute damit zufrieden, die Lagune erreicht zu haben, weswegen wir auf dem weiteren Weg zum Gletscher deutlich weniger Menschen antreffen. Der steile Anstieg, der doch nochmals deutlich länger dauert als der erste Teil, lohnt sich aber auf jeden Fall! Nach ein paar kleinen Klettereinlagen und einem steilen, engen Weg über gut griffige Felsen erreichen wir den Aussichtspunkt zum Gletscher. Wir suchen uns wie immer ein halbwegs windstilles Plätzchen und machen uns über unser Gipfelvesper her. Jetzt hat es ja doch noch geklappt und das Wetter hat auch einen Tag später als geplant noch mitgemacht.

Der Blick auf den Gletscher hinter uns
Und der Blick nach vorne auf die Laguna Esmeralda

Bevor wir Ushuaia allerdings wieder verlassen, will Nadi noch eine Wanderung mit 360°-Ausblick machen! Auf ein oder zwei Tage mehr in Ushuaia kommt es jetzt auch nicht mehr an und wir beschließen noch die Wanderung auf den Cerro Guanaco im Nationalpark zu machen. Allerdings kostet der Eintritt in den Nationalpark mal wieder 12.000 Pesos pro Nase. Irgendwie sehen wir das nicht wirklich ein. Also packen wir am Abend zuvor schon unseren Wanderrucksack, inklusive Frühstück und stellen den Wecker auf 6 Uhr morgens. Das Eingangshäuschen im Nationalpark ist nämlich nur zwischen 8 und 20 Uhr besetzt und es interessiert keinen Menschen, wenn man außerhalb dieser Zeiten in den Park fährt. Gefrühstückt wird eine Kleinigkeit auf dem Parkplatz. Außer uns ist noch kein Mensch da, was den angenehmen Nebeneffekt hat, dass wir auf dem gesamten Weg zum Gipfel allein sind. Naja, fast allein. Auf halbem Weg treffen wir auf ein einsames Guanaco, das dem Berg, da sind wir uns sicher, seinen Namen gibt! Wir sind so früh oben, dass wir beschließen unser obligatorisches Gipfelvesper erst wieder im Tal zu uns zu nehmen, weil wir beide einfach noch keinen Hunger haben. Außerdem wollen wir uns auf dem Gipfel nicht unbedingt gemütlich hinsetzen. Es schneit ganz feine Flocken und dementsprechend frisch ist es auch, weswegen wir uns, nachdem wir ausgiebig den Ausblick über die Fjorde, die Berge und Ushuaia genossen haben, wieder auf den Rückweg machen. Zumal wir heute Abend nochmal essen gehen wollen. Da wir zwar zeitgleich mit Ela und Philipp abreisen, aber sich unsere Routen bis zur Grenze wieder unterscheiden, feiern wir unseren Abschied in einem kleinen, netten Restaurant in der Innenstadt. Die Portionen hätten zwar nicht viel kleiner sein können, aber immerhin gab es viel gutes Bier. Wir sind jedenfalls froh, die beiden getroffen zu haben und drücken ihnen die Daumen, dass auf ihrer Weiterreise alles problemlos weitergeht!

Vorbei am einzigen, namensgebenden Guanaco
Führt der Weg über ein langes, steiles Geröllfeld
Auf den Gipfel mit Rundumblick, den wir ganz für uns allein genießen können

Das seltsame Gefühl am nächsten Morgen kommt nicht vom vorabendlichen Bier, sondern vom Wissen, dass man ab jetzt wahrscheinlich nie wieder südlicher sein wird als zu diesem Zeitpunkt. Allerdings will sich trotzdem kein richtiges Ende-der-Welt-Gefühl einstellen. Dazu sieht man einfach doch noch zu viel Land, das noch weiter „unten“ liegt. Mit dem eigenen Fahrzeug ist das allerdings schlichtweg unerreichbar und somit verlassen wir am folgenden Tag Ushuaia in dem Wissen, nur noch in den Norden zu fahren. Bei bestem Wetter und bestens gelaunt sitzen wir auf unsere frisch betankten Motorräder und freuen uns auf alles, was uns weiter oben noch so erwartet. Unser erstes großes Reiseziel haben wir jetzt ja schonmal erreicht!

Torres desl Paine und El Calafate

Chile / Argentinien

Das erste Ziel auf dem Weg in den Norden liegt gar nicht allzu weit entfernt von Ushuaia. Die nördlichste Kolonie von Königs-Pinguinen steht auf dem Plan. Allerdings müssen wir hierzu erst einmal wieder über die Grenze und zurück nach Chile. Wie auch beim Hinweg werden wir ziemlich schnell durch das ganze Prozedere geschickt und als wir bei der Zollkontrolle ankommen und dem Zöllner sagen, dass wir keine frischen Lebensmittel dabei haben, müssen wir noch nicht einmal die Motoren ausschalten und können, ohne nur einen Koffer aufgemacht zu haben, geschweige denn abgestiegen zu sein, nach Chile einreisen. Verdammt, wir hätten alles mitnehmen können! Aber macht nichts, lieber so als andersherum. Da es, bis auf die Pinguine, an dieser Straße so gar nichts spannendes zu sehen gibt, kann man sich auch von der Backe putzen, in der näheren Umgebung einen Campingplatz oder eine schöne Wildcamping-Ecke zu finden. Zudem ist es schlicht und einfach viel zu windig, um das Zelt einfach irgendwo in der Landschaft aufzustellen. Wir suchen also eine der teils wenig einladend aussehenden Refugios am Straßenrand auf, die in Chile hauptsächlich für Radfahrer auf dem Weg von und nach Ushuaia gedacht zu sein scheinen. Doch an der Straßenkreuzung, von der aus wir die Hütte schon sehen, steht ein winkender Mann am Straßenrand und versucht mutmaßlich uns anzuhalten. Wie sich herausstellt ein Schweizer, der einer Gruppe von vier Radlern angehört, die in den beiden Schutzhütten bereits ihr Nachtlager aufgeschlagen hat. Scheiße, was nun? Der Schweizer fragt uns, ob wir Wasser dabei hätten, da seiner Gruppe das Wasser auf dem Weg hierher ausgegangen ist. Ganz schön übel, denn eine andere Möglichkeit an Wasser zu kommen gibt es hier im näheren Umfeld einfach nicht! Wir haben noch unsere Reserve von ungefähr 3 bis 4 Litern dabei, die wir den Radlern vermachen. Als Dank dafür machen sie uns eine Hütte frei und schlagen ihr Vierer-Lager in der größeren der beiden Hütten auf. Gerade als wir in die andere Hütte gehen, kommt ein weiterer Radler an, der ebenfalls in der kleinen Hütte Windschutz sucht. Dann eben zu dritt. Immerhin windet es hier drin nicht und auch unser Zelt müssen wir zur Abwechslung mal nicht aufstellen. Und da die Hütte einen kleinen Sitz-Teil unten und den eigentlichen Schlafteil oben auf einer Galerie hat, haben wir alle sogar ein kleines bisschen Platz für uns. Als wir beide es uns schon in unseren Schlafsäcken gemütlich gemacht haben, kommt noch ein weiterer Radfahrer hinzu. Na, dann eben zu viert!

Mitten im Nirgendwo stehen auf dem Weg nach Ushuaia und zurück die Schutzhütten für kurze Windpausen
So kann man den Sonnenaufgang aus dem Bett auch genießen. Bei dem Licht sieht man auch den Dreck im Bett nicht so!

Am nächsten Morgen machen wir und unser radelnder Mitbewohner, John, uns auf zur 15 km entfernten Pinguin-Kolonie. Wie bei so vielem, heißt es auch hier, man sollte den Eintritt unbedingt im Voraus reservieren, da man ansonsten keinen Platz mehr bekommt und hat dann eine Stunde Zeit sich die Vögel anzusehen. Da wir an diesem Morgen deutlich früher los kommen als sonst, gehen wir auf 10 Uhr hin, obwohl wir für 11 Uhr reserviert haben und hoffen einfach trotzdem gleich reinzukommen. Das klappt auch. Hätte uns sonst auch wirklich gewundert 😉! Die Pinguin-Kolonie liegt auf Privatgrund. Der Besitzer hat alles gut eingezäunt (wie üblich in Chile) und ein paar Hütten aufgebaut in denen die Touris Informationen zu den Tieren bekommen und wenn gewünscht auch Andenken kaufen können. Wie uns von unserem Guide erzählt wird, sind die Pinguine erst vor etwa elf Jahren an diesen Ort gekommen. Der Besitzer muss wohl sehr erstaunt gewesen sein, als er die Tiere zum ersten Mal an seinem Strand entdeckt hat. Die ersten von ihnen können wir bereits vom Eingang aus sehen. Und die neugierigen unter ihnen kommen den Beobachtungshäuschen, in denen wir uns sehr leise versuchen aufzuhalten, so nahe, dass man schon fast das Gefühl hat, einen von ihnen anfassen zu können. Wir sind genau zur richtigen Jahreszeit hier, denn ab und zu kann man sogar ein kleines, graues Knäuel unter all den Vögeln erkennen. Die Jungen schlüpfen gerade und verstecken sich noch unter der Haut der Eltern. Außer sie haben Hunger. Dann lugen sie aus ihrem warmen Versteck und verlangen lautstark nach Futter. Leider geht die Stunde viel zu schnell vorbei und wir müssen Platz machen für die nächste Gruppe, die sich den Beobachtungshäuschen entgegenschleicht.

Es wird gebrütet,
Geplanscht, bei diesem heißen Wetter
und manch einer fragt sich: „Was willst du?!“

Schade, nun ist das Highlight des Tages schon vorbei. Ab jetzt gibt es wieder nur gerade Straßen und nichts als Pampa bis wir wieder zurück in Puerto Natales sind. Nur die kurze Fähre von Feuerland auf das Festland verspricht noch etwas Abwechslung. Allerdings müssen wir diese Mal deutlich länger warten, bis wir an Bord können. Die Schlange ist schon recht lange, als wir am Hafen ankommen. Und als wir endlich an der Reihe sind und schon kurz vor der Laderampe stehen, gibt uns der Fährarbeiter ein Zeichen zu warten. Auto um Auto fährt an uns vorbei auf die Fähre. Wir fragen uns, was es damit auf sich hat. Vielleicht stopfen sie die Motorräder hinterher noch auf die Fähre in die Zwischenräume der Autos und LKWs. Als die Fähre die Laderampe hochfährt und ablegt bemerken wir, dass kein einziges Motorrad auf die Fähre durfte. Einer der anderen, lautstark fluchenden Motorradfahrer bei uns in der Warteschlange erzählt uns, dass es bei den Fährkapitänen einen gibt, der grundsätzlich keine Motorradfahrer auf seine Fähre lässt. So ein blödes A*******h!!! Aber es hilft ja nix. Immerhin sorgen die vielen Delphine auf der Überfahrt für etwas bessere Laune. Auch wenn wir anstelle von einer halben Stunde, fast drei Stunden gebraucht haben, um endlich auf der anderen Seite anzukommen. Nun müssen wir uns beeilen heute noch die restlichen fast 300 Kilometer nach Puerto Natales zu schaffen. Um kurz nach acht kommen wir tatsächlich dort an und checken auf dem uns bereits bekannten Zeltplatz ein.

Immerhin haben wir bei der Warterei die Möglichkeit, das Bild nachzuholen, das wir beim runterwärts verpasst haben!

Bei Nieselregen packen wir am nächsten Morgen unser Zelt ein und machen uns auf in die Stadt zum Einkaufen und unsere Vorräte auffüllen. Die Einkaufsmöglichkeiten bei unserem nächsten Ziel sind sehr beschränkt. Wir fahren heute endlich in den Parque National Torres del Paine! Der schönste Nationalpark Patagoniens, wie man uns immer wieder versichert.

Wir haben schon zu Beginn unserer Reise versucht, die Zeltplätze auf dem berühmten W-Track zu buchen, sind aber kläglich an der unnötig schlechten Buchungs-Infrastruktur gescheitert. Außerdem wären wir ohnehin viel zu spät dran gewesen, weil die meisten ihre Plätze schon mehr als ein halbes Jahr im Voraus buchen und die Plätze dementsprechend schnell ausgebucht sind. Und auch wenn so eine Mehrtageswanderung sicher spannend gewesen wäre, wohin in der Zwischenzeit mit den Motorrädern und unserem restlichen Gepäck? Den Aufwand ist es uns einfach nicht wert. Es werden also Tagestouren im Park.

Von einer Reisenden in Bariloche haben wir einen Campingplatz empfohlen bekommen, von dem aus man einen super Blick auf das Bergmassiv der Torres hat. Der Platz liegt außerdem noch recht geschickt an dem See, über den die Fähre zur Wanderung an der Grey-Gletscher fährt. Klingt super!

Die Fähre ist zwar sehr teuer, aber da wir ja nur einmal hier sind und wir die Wanderung zum Gletscher gerne machen würden, haben wir uns mit dem Preis von 20 US$ pro Weg und Nase irgendwie schon abgefunden. Als wir die Fähre buchen wollen, weil wir ja gelernt haben, dass man alles, was in irgendeiner Form touristisch ist, vorbuchen muss, stellen wir fest, dass das nicht möglich ist. Die Fähre fährt genau vier Mal am Tag. Dauer: 25 Minuten. Reservieren kann man nicht. Und bezahlen muss man cash auf dem Boot. Nur blöd, dass man die erste und die letzte Fähre braucht, um überhaupt die lange Wanderung zum Gletscher und wieder zurück in der Zeit schaffen zu können. Diese Praxis hat zur Folge, dass man Stunden vorher in den Schlangen vor dem Boot warten muss und es nur allzu häufig vorkommt, dass man keinen Platz mehr bekommt und da bleiben muss, wo man sich gerade befindet. Auf dem Hinweg mag das noch verkraftbar sein, aber auf dem Rückweg? Denn sollte man morgens tatsächlich Glück gehabt haben, muss man immer noch bangen, abends nicht mit der letzten Fähre zurückzukommen. Gott sei Dank kann man dann für schlappe 100 Dollar pro Nase immerhin ein Zelt, Isomatten und Schlafsäcke beim angrenzenden Zeltplatz mieten, was für ein glücklicher Zufall! Falls man es doch auf die Fähre schaffen sollte, hat sich der Preis nun auf stolze 40US$ pro Weg und Nase erhöht. Adi geht diese unverschämte Geldmacherei derart gegen den Strich, dass er schon bevor wir uns auf machen, keinen Bock mehr auf den Park hat und am liebsten einfach umdrehen würde und gehen. „Dann sollen sie sich ihren blöden Park doch sonst wohin schieben!“ schreit es nicht nur einmal durch das Headset, als wir uns immer wieder darüber unterhalten. (Selbst beim Verfassen des Reiseberichtes, anderthalb Wochen nachdem wir dort waren, steigt bei dem Gedanken daran sogar noch der Puls!) Wir beschließen, dass die Fähre auch ohne uns fährt, und suchen uns andere Ziele aus, die mit dem Motorrad erreichbar sind. Wozu hat man diese Dinger denn auch sonst dabei? Das bedeutet zwar, lange Strecken über die teils grottig schlechten Schotterpisten des Parks zu fahren, aber immerhin können wir uns selbst aussuchen wohin, wann und in welcher Reihenfolge wir wohin fahren.

Als wir auf dem Campingplatz ankommen, ist von der schönen Aussicht erst einmal gar nichts zu sehen. Der Nieselregen hat zwar aufgehört, aber es ist immer noch sehr stark bewölkt. Also schnell das Zelt aufbauen, bevor der nächste Regen einsetzt. Doch siehe da, stattdessen kommt plötzlich die Sonne raus.

Ein kurzer Blick auf das Torres-Massiv, bevor es wieder in den Wolken verschwindet!
Kleiner Punkt im Dunkel. Ganz so duster war´s dann doch nur anfangs

Aber unsere Freude währt nicht lange, da fängt es auch schon wieder an zu regnen. Wir kommen uns vor wie im April. Das Wetter ändert sich an diesem Abend sicher noch zehn weitere Male.

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker so früh wie noch nie, es ist vier Uhr. Wir packen noch schnell das Motorrad und fahren los. Die Straße zum Startpunkt ist, wie alle anderen im Nationalpark auch, eine Schotterpiste. In der Dunkelheit hatten wir bisher jedoch noch nicht das Vergnügen solcher Strecken und planen deswegen lieber mal einen kleinen Zeitpuffer ein. Die Fahrt stellt sich als recht unproblematisch heraus. Es fühlt sich trotzdem komisch an, durch den Park zu fahren, an allen anderen vorbei, die noch in ihren Zelten oder Campern schlafen. So können wir unsere Wanderung zu den berühmten Torres bereits um kurz vor sechs beginnen, bevor die restlichen Tagetouristen mit den Bussen anreisen und das Ganze hier zu einer Völkerwanderung machen. Wir laufen mit unseren Stirnlampen auf dem Kopf los und sind bereits ein kleines Stück den Berg hoch, als die Sonne aufgeht.

Ganz ursprünglich hatten wir vor zum Sonnenaufgang bei den Torres zu sein. Den Plan haben wir allerdings verworfen, weil wir dann doch keine Lust hatten, schon um zwei Uhr nachts aufzustehen. Außerdem haben diesen Plan vermutlich auch viele andere. Hier sind wir jedoch komplett für uns und können den Anblick ungestört genießen.

Sonnenaufgang, irgendwo auf dem Weg zu den Torres del Paine

Auf dem Weg nach oben begegnen wir recht wenigen Menschen, die in unserer Richtung unterwegs sind. Je näher wir jedoch dem Gipfel kommen, desto häufiger kommen uns Leute entgegen, die den Sonnenaufgang wohl tatsächlich oben angeschaut haben. Als wir oben ankommen, sind die Torres bereits voll angeleuchtet. Menschen stehen auf den Steinen und lassen sich vor den drei Spitzen fotografieren. Wir sind definitiv nicht mehr allein. Auch wenn wir mehr Menschen auf unserem Weg erwartet hätten. Wir frühstücken auf einem der vielen Steine, genießen den Ausblick und die Sonne auf unseren Rücken und machen uns dann wieder auf den Rückweg. Der Weg, den wir nur drei Stunden früher hoch gekommen sind, wird immer voller. Busladungen von Menschen wandern uns in langen Schlangen entgegen. Die Leute, die schneller sind als die großen Gruppen versuchen teils verzweifelt an den Gruppen vorbeizukommen, nur um dann hinter der nächsten Gruppe zu hängen. „Alles richtig gemacht!“ denken wir uns und freuen uns umso mehr, heute so früh aufgestanden zu sein.

Die berühmten Torres del Paine. Ohne See, aber dafür auch ohne Menschen abgelichtet 😊

Wir haben sogar noch die Zeit, einmal quer durch den Park zu fahren und zum Mirador Glaciar Grey zu gehen. Von hier aus sehen wir den Gletscher wenigstens doch noch, wenn auch nur aus weiter Ferne, aber ohne Fähre! Wir spazieren ein kleines Stück über den sehr windigen Strand und sehen den Gletscher, wie er sich hoch über den See erhebt. Man kann das Eisfeld wirklich gut sehen. Es leuchtet richtig blau und die abgebrochenen Eisberge die im See treiben, lassen ein kleines bisschen die Größe der Abbruchkante erahnen. Das Ausflugsschiff, das hier regelmäßig Touristen zum Gletscher fährt (allerdings ohne sie dort aussteigen zu lassen) sieht aus wie ein Spielzeug vor den treibenden Eisbergen. Wir betrachten den Gletscher eine Weile von dem leicht erhöht liegenden Aussichtspunkt, bevor wir uns wieder auf den Heimweg machen.

Auch aus der Ferne beeindruckend, die riesige Eiszunge!

Irgendwie sind wir dann doch ein bisschen müde. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Und wie sich rausstellt, sogar mit Sonnenschein! Von unserem Campingplatz aus kann man mit einer kurzen Wanderung auf den nächstgelegenen Hügel laufen. Vom dortigen Mirador los Condores hat man einen Super Blick auf das Torres-Massiv. Als wir fast oben sind, stellen wir fest, dass der Wind heute richtig stark bläst! In der kleinen Schneise zwischen den beiden Gipfeln durch die wir hindurch kommen, bläst es uns fast um. Das könnte oben noch witzig werden. Unser erster Vorgeschmack auf den patagonischen Wind, der uns bisher so gnädig verschont hat. Oben windet es tatsächlich durchgängig mit einer solchen Stärke, dass wir nach einer viertel Stunde wieder runter gehen, und Adi erstmal die Ohrstöpsel zum Motorrad fahren rauskramt, um den Wind nicht mehr so in den Ohren zu spüren.

Egal wie stark der Wind bläst, die Frisur sitzt… fast…

Die zweite kleine Wanderung an diesem Tag führt uns zu einem kleinen Wasserfall, den wir gestern auf dem Heimweg von den Torres schon beim Vorbeifahren gesehen haben. Von dort aus kann man wohl sehr gemütlich noch weiter laufen und kommt danach an einem weiteren Aussichtspunkt auf den W-Track raus. Wenn wir schon da sind, schauen wir uns das auch noch an! Der Wind ist so stark, dass wir teilweise richtig kämpfen müssen, um vorwärtszukommen. Nicht alle Menschen, die uns auf dem Weg entgegen kommen, finden das so witzig wie wir. Mützen und Brillen fliegen durch die Gegend und nicht selten stolpert jemand und lässt sich von seinem Tourguide an die Hand nehmen. Wir freuen uns jedenfalls tierisch über das schöne Wetter und sogar Adi ist jetzt froh, hier gewesen zu sein😊

Diesen Ausblick kann man nur genießen 😊

Tags darauf fahren wir weiter nach El Calafate in Argentinien. Die Straße, die nördlich aus dem Nationalpark führt, ist in deutlich besserem Zustand als die, über die wir von Puerto Natales aus gekommen sind. Auf einer geteerten Straße fahren wir aus dem Park in Richtung Grenze. Wenn wir diesen Grenzübertritt hinter uns haben, sollten wir erstmal eine Weile keine Grenzen mehr überfahren müssen. Wir wollen ja schließlich eine Weile in Argentinien bleiben! Und erfahrungsgemäß ist der Übertritt nach Argentinien deutlich entspannter als nach Chile, also kein Grund zur Panik. Die Beamten in Chile sind sehr freundlich und flott. Innerhalb kürzester Zeit haben wir unsere Stempel und Papiere und machen uns auf den Weg zu den Argentiniern. Dort klappt zunächst alles ebenso reibungslos wie bei deren chilenischen Kollegen. Wir überprüfen hier seit langem mal wieder die Nummern der Fahrzeuge und Papiere, die uns der Zoll ausgestellt hat. Eigentlich sollte man das immer machen, aber die letzten Male hatten wir nicht sonderlich darauf geachtet und es hat auch immer alles gut funktioniert. Bei Nadis Papieren ist alles in Ordnung. Bei Adis Papieren scheint der Zöllner wohl schon an das Mittagessen hinter ihm gedacht zu haben… Die Passnummer stimmt. Das ist aber auch das Einzige. Die Fahrgestellnummer, die einzige Möglichkeit, nachzuweisen dass das Motorrad wirklich uns gehört, ist unvollständig. Außerdem steht bei Nationalität des Halters: Jemen. Was soll das denn? Wir gehen zurück zum Zöllner und versuchen ihm zu erklären, dass die Fahrgestellnummer nicht stimmt und Adi außerdem nicht aus dem Jemen kommt. Zwei nicht ganz kleine „Ungenauigkeiten“ die man vielleicht ausbessern sollte. Der Typ schaut uns an, als hätten wir nicht alle Tassen im Schrank, nochmal zu ihm zu kommen. Als wir ihm das Problem erklären, sagt er nur: „Das ist kein Problem. Das ist halt falsch im System. Geht jetzt!“ und macht eine Handbewegung, mit der man normalerweise nur lästige Fliegen wegscheucht. Dann steht er auf, geht raus und raucht erstmal eine. Toll… Dann kommt sein Kollege mit dem Mittagessen hinter den Schalter. Als wir ihm versuchen, unser Problem zu erklären kommt sein schimpfender Kollege vom Rauchen zurück und erklärt ihm, was unser nichtiges Problem zu sein scheint. Auch der zweite Kerl schaut uns verständnislos an. Als wir ihm sagen, dass das das einzige Dokument ist, das Adi als Halter des Motorrads ausweist und sein Kollege alles falsch eingetragen hat wird er fast schon wütend und mault uns nur noch mehr an, wir sollen uns nicht so anstellen und was überhaupt das Problem sei und so weiter. Er streicht die Nationalität mit Kugelschreiber durch, schreibt „Alemania“ hin und schiebt uns den Zettel zurück. Als wir ihm sagen, dass die Nummer auch nicht stimmt, sieht er endlich ein, dass sein Kollege Mist gemacht hat und stellt uns ein neues Dokument aus. Diesmal stimmen alle Angaben. Allerdings fragt er dann nach dem Baujahr des Motorrads und sagt, wenn das nicht stimme, werde Adi festgenommen. Ein bisschen aufspielen muss er sich dann anscheinend doch noch. Wir fahren mit den richtigen Papieren weiter und zumindest Adi tröstet der Gedanke, dass die zwei Kompetenz-Bestien ihr Essen lauwarm zu sich nehmen müssen! Mit jedem Meter den wir uns von der Grenze entfernen wird die Laune wieder besser. Und als wir endlich die Berge bei El Calafate sehen, ist unsere Grenz-Erfahrung schon wieder vergessen. Die Straßen sind zwar wie bisher überall in Argentinien schnurgerade und eher unspektakulär, allerdings kann man dann wenigstens ungestört auf die Berge vor einem glotzen, ohne von einer Kurve überrascht zu werden! Der Besitzer des Campingplatzes ein kleines Stückchen außerhalb der Stadt sagt uns, dass wir Glück haben, dass er noch einen Platz hat, weil diese Woche das nationale Fest der Seen sei, dass in Calafate stattfindet. Deswegen war die Hauptstraße in der Innenstadt auch gesperrt! Die ganze Woche treten abends Bands auf, die lokalen Sportvereine verkaufen Essen und Getränke und Künstler bieten an vielen kleinen Ständen oder auf Tüchern auf dem Boden ihre selbstgemachten Gegenstände an. Der Eintritt ist kostenlos und wir beschließen, morgen nach dem Besuch des Perito Moreno Gletschers in die Stadt zu gehen und uns den Trubel mal genauer anzuschauen. Die Musik könnte uns jedenfalls gefallen. In unserem Zelt hören wir jeden Ton der Rockband die gerade auf der Bühne steht! 

Da uns geraten wurde, nachmittags zum Gletscher zu gehen, da man dann das Eis knacken hört und die meisten Touri-Busse nach 15 Uhr wieder weg seien, haben wir viel Zeit, um auszuschlafen und gemütlich zu frühstücken. Die fast 80 Kilometer zum Park sind genau so gerade wie der Weg nach El Calafate. Allerdings kann man auf den letzten Kilometern der Straße den Gletscher schon erkennen und seine Größe erahnen. Die Wege, die vom Parkplatz zu den Aussichtsplattformen führen, können eigentlich nicht mehr als Wanderwege bezeichnet werden. Metallstege auf Stelzen mit Treppen und beidseitigen Geländern. Man kann nicht einen Fuß auf den Fels darunter stellen. Die auf dem Eingangsschild angegebenen Laufzeiten zu den unterschiedlichen Plattformen sind kompletter Blödsinn. Für den ersten Abschnitt sagt das Schild anderthalb Stunden voraus. Nach 15 Minuten haben wir den Punkt erreicht. Wahrscheinlich sind die Angaben inklusive der Zeit angegeben, die man stehen bleibt, um auf den Gletscher zu starren. Hier kann man nämlich wirklich die Zeit vergessen. Man hört permanent das Knacken des Eises, irgendwo hört man etwas ins Wasser fallen und manchmal sieht man sogar ein Stück Eis von der Kante brechen und zeitverzögert mit lautem Knall ins Wasser fallen! Wir warten permanent darauf, dass ein großes Stück abbricht, und machen hunderte von Bildern und Videos, auf denen man schlichtweg gar nichts erkennen kann, nur weil wir denken, dass gleich ein Stück abbricht! Jedes Mal, wenn das tatsächlich der Fall ist, haben wir die Kameras natürlich gerade nicht zur Hand.

Auch ohne, dass riesige Stücke abbrechen ist der Perito Moreno Gletscher beeindruckend!

Aber immerhin sehen wir etwas. Nicht, dass der Gletscher nur wegen der abbrechenden Teile beeindruckend wäre! An der höchsten Stelle fast 70 Meter hoch, ist das Eisfeld, das sich aus den Bergen zwischen den Gipfeln in den See schiebt, mit Abstand das größte Eisfeld, das wir bisher gesehen haben. Und das noch aus nächster Nähe! Wir wundern uns nur, woher die großen Wellen kommen, die die Eisschollen und Eisberge im Wasser immer mehr auf den Strand zuschieben. Als wir uns auf den Rückweg machen, sehen wir, wie ein riesen großes Stück vom Gletscher abgebrochen und ins Wasser gefallen ist. Die Eisberge brechen noch immer, als wir uns auf den nächsten Aussichtspunkt beeilen. Auf einer Länge von bestimmt 100 Metern sind die gigantischen Eisblöcke ins Wasser gebrochen und machen noch immer sehr hohe Wellen, als sie sich drehen, auf und ab schaukeln und in kleinere Stücke zerbrechen! Mit offenen Mündern stehen wir da und können nicht glauben, das tatsächlich gerade gesehen zu haben. Wir könnten noch ewig hier stehen bleiben und dem Spektakel zusehen. Nicht, dass wir nicht schon seit fast vier Stunden hier sind. Leider werden wir von den Parkrangern freundlich darauf hingewiesen, dass der Park schließt und wir uns langsam, aber wirklich nur langsam, auf den Rückweg zu unserem Fahrzeug machen sollen.

An der höchsten Stelle misst die Abbruchkante fast 70 Meter Höhe. Dementsprechend laut klatschen die Eisstücke auf´s Wasser!

Auf dem Rückweg reden wir nicht allzu viel. Scheins verarbeiten wir beide gerade noch die Eindrücke des Nachmittags. Obwohl es nun doch schon später ist als gedacht, beschließen wir, heute Abend noch in die Stadt zu gehen und uns das Fest mal genauer anzuschauen. Außerdem haben wir keine Lust mehr, heute Abend zu kochen und verlassen uns lieber auf die lokalen Vereine. Die erste Band des Abends ist eine argentinische Rockband und wir fühlen uns sofort wohl! Die Stimmung in dem Stadion ist super und die Musik ist heftig laut. Wir machen uns auf die Suche nach den Fressständen und können uns bei der riesigen Auswahl nicht recht entscheiden, wohin wir zuerst gehen sollen. „Also fressen wir uns von vorne nach hinten durch!“ ist Adis Vorschlag. Dafür sind es aber dann doch zu viele Stände. Wir suchen uns drei Stände aus und besorgen verschiedene Sachen. So kommen wir auch zu unserem ersten Burger mit Guanaco-Fleisch. Wenn man genauer darüber nachdenkt, hätten wir gar nicht so verwundert sein müssen, dass die Viecher, die hier überall wild herumrennen und Platz ohne Ende haben, so gut schmecken! Adi holt gleich nochmal einen Burger. Nachdem der Hunger gestillt ist, gehen wir wieder zur Bühne. Gerade rechtzeitig, um den Schlussakkord der ersten Band zu hören. Naja, anscheinend kommt noch eine zweite. Sind wir mal gespannt. Das erste Lied des zweiten Acts lässt allerdings schon schlimmes vermuten. Die Trulla, die da in sehr knappen Klamotten auf der Bühne rumhüpft, macht weder unsere Art von Musik, noch kann sie besonders gut singen und so machen wir uns auf den Rückweg zum Campingplatz. Der Tag war trotzdem ein Voller Erfolg!

Morgen geht´s weiter nach El Chaltén. Von diesem Ort erzählen uns schon seit einer ganzen Weile alle, die gerne Wandern gehen und die Berge mögen. Vielleicht haben wir ja sogar Glück und der Fitz Roy wagt sich aus den Wolken und gibt den Blick auf seinen Gipfel frei. Wir sind also mal gespannt!

Argentinien

El Chaltén und Peninsula Valdes

Obwohl unsere Vorfreude groß ist, sind wir auch froh, nun vorerst auf dem Weg zu unserem letzten Touri-Hotspot zu sein. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass es so langsam auch reicht, die immer gleichen Menschen zu treffen. Aber abhalten lassen wir uns von diesem Gedanken nicht und fahren schleunigst von El Calafate nach El Chaltén. Die Strecke zwischen den beiden Orten hat nichts wirklich spektakuläres zu bieten. Ein paar wenige Kurven über einen recht kleinen Fluss und die eine oder andere Biegung an einem Hügel entlang sind schon echte fahrerische Highlights! Immerhin die Aussicht auf das Gebirge vor uns wird mit jedem Kilometer immer interessanter. Und wir haben alle Zeit der Welt sie ausgiebig während der Fahrt zu genießen. Adi hat sogar so große Langeweile, dass er gleichzeitig mit der Helmkamera und der Gopro in der linken Hand Videos während der Fahrt macht. Die Autos und Busse, die uns entgegenkommen, müssen denken, dass wir völlig bescheuert sind. Wobei die hier wahrscheinlich viele lustige Anblicke von gelangweilten Motorradfahrern bekommen.

Von der Parkbucht aus kann man die Anden schon sehen! Vor uns waren schon viele hier, die ihre Sticker hinterlassen haben.
Nett hier. Aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg? Leider haben wir selbst keine dabei 😀

Endlich erreichen wir El Chaltén! Wir haben uns die Stadt so ähnlich wie El Calafate vorgestellt, weswegen wir dort nicht nochmal einkaufen und zu Western Union Bargeld holen gegangen sind. „Da gibt´s bestimmt auch n paar große Läden, in denen wir alles bekommen, was wir brauchen!“. Dass wir lieber mal vorher geschaut hätten, wie groß das Kaff wirklich ist, fällt uns erst auf, als wir an der als Hochseecontainer getarnten Tankstelle (natürlich die einzige im Dorf) vorbei fahren… Da hatten wir wohl ein bisschen Pech beim Denken! Immerhin müssen wir nur eine dreiviertel Stunde anstehen, bevor wir wieder volle Tanks haben. Uns machen und dann auf den Weg ins Dorf, um den Campingplatz zu suchen, den wir vorher im Netz gefunden haben. Auf dem Weg dahin fahren wir an zwei kleinen Läden vorbei, die als Supermärkte angeschrieben sind. Immerhin! Der Campingplatz hingegen ist riesig. Zumindest für unsere bisherigen Standards. Zelt an Zelt hinter den Windschutz-Zäunen und man könnte die nächsten zwei Nachbarn zu jeder Seite sehr gut schnarchen hören, wenn der Wind nicht so pfeifen würde. Die Landschaft um uns herum ist allerdings gigantisch. Die Berge, die uns umgeben, werden abends von der Sonne angeschienen und machen eine schöne Stimmung. Damit, dass die Bäder immer morgens und abends zu den Stoßzeiten wegen Reinigung mindestens für eine dreiviertel Stunde geschlossen sind, können wir uns nach einer Weile auch arrangieren.

Am ersten Abend gehen wir die Supermärkte im Dorf erkunden. Die Preise sind happig und wir ärgern uns über unsere Vorbereitung. Das hätten wir in El Calafate besser und günstiger haben können. Naja, was solls. Das Einzige, was Adi wirklich ärgert, sind die Bier- und Weinpreise in den Läden! „Da macht ja nich mehr mal das Saufen Spaß!“ beschwert er sich lautstark. Umso größer ist die Freude, als wir in einem Souvenir-Laden, der auch Anglerzeug, Campingausrüstung, Klamotten und Fahrradersatzteile verkauft, den günstigsten Wein im Dorf finden! „Schön ist es hier“, heißt es auf einmal wieder…

Fast aus den Wolken. Aber mit diesem Rucksack geht´s wohl nie auf den Fitz Roy!

Laut Wetterbericht soll es den ganzen nächsten Tag regnen, weshalb wir sehr überrascht sind, dass die Sonne scheint, als wir am nächsten Morgen aus unserem Zelt kriechen. Doch bevor wir wandern gehen, müssen wir zunächst noch ein paar Erledigungen machen und unsere Klamotten waschen. Normalerweise lassen wir diese in einem Waschsalon waschen, doch auf dem Campingplatz gibt es eine Waschmaschine die man gratis nutzen kann. „Super!“ denken wir uns. Nur leider stellt sich heraus, dass die Waschmaschine nur kalt wäscht und die Wäsche danach noch nicht mal schleudert. Also sind wir, anstatt wandern zu gehen, den ganzen Nachmittag damit beschäftigt, irgendwie die Wäsche, möglichst heute noch, zu trocken und darauf aufzupassen, dass sie vom Wind nicht weggepustet wird.

Als wir uns am nächsten Morgen zu unserer ersten Wanderung im Nationalpark aufmachen, bestätigt sich Adi‘s letzte Aussage nochmal. Der Blick ist zwar etwas wolkenverhangen und man kann den Fitz Roy, so wie bei der Anreise auch schon, nicht sehen, aber die Wanderung zum Aussichtspunkt ist trotzdem empfehlenswert. Nach dem Spaziergang zum Perito Moreno Gletscher ist es auch mal wieder schön wirklich eine Weile laufen zu müssen, um sein Ziel zu erreichen. Unseres liegt heute ca. 700 bis 800 Meter über dem Startpunkt. Von oben soll man ohne Wolken einen super Blick auf den Fitz Roy und die ihn umgebenden Gletscher haben. „Falls wir was sehen, ist Recht und falls nicht, haben wir es wenigstens versucht. Und das Wetter soll übermorgen, wenn wir tatsächlich zum Fitz Roy wollen, eh besser werden. Also auf!“ Die ersten paar Kilometer gehen gemütlich den Berg hoch, durch kleine Wälder, ab und zu mal über einen Bach und an Kühen vorbei.

Das beschauliche Örtchen El Chaltén am Fluss zwischen den Bergen

Das letzte Stück muss steiler hoch gehen. Sonst kommen wir nie auf die Höhenmeter! Und tatsächlich, wir treten aus der Lichtung des kleinen Wäldchens und sehen das letzte Stück des Weges der ordentlich steil über ein Geröllfeld den Berg hoch geht. Allerdings bekommen wir auch zu spüren, dass ohne den Schutz der Bäume der Wind heute so stark ist, dass die Sandkörner vom Boden uns direkt ins Gesicht geblasen werden. Und zwar mit einer derartigen Wucht, dass es ohne Tuch über dem Mund und ohne Sonnenbrille auf der Nase fast nicht auszuhalten ist. Jetzt wird es auch richtig anstrengend. An manchen Stellen müssen wir fast schon auf allen Vieren vorwärts kraxlen, damit wir nicht wieder den Weg hinuntergepustet werden. Zwei, drei Leute kommen uns entgegen als wir weiter hoch gehen. Alle sehen nicht sonderlich glücklich aus und versuchen sich vom Wind nicht schneller als gewollt den Berg runter schieben zu lassen. Uns wird langsam aber sicher klar, dass wir den Gipfel heute wohl eher nicht erreichen werden und wir, wenn´s dumm läuft, auch frühzeitig umdrehen müssen. Auf einem kleinen Plateau verstecken wir uns vor dem Wind hinter einem großen Felsbrocken und beschließen, auch wieder umzudrehen. Es hat keinen Wert, wenn sich einer den Fuß verdreht oder auf die Goschen fällt, weil uns der Wind am runterwärts einen blöden Stoße von hinten gibt und wir nicht schnell genug reagieren können. Also langsam, aber sicher wieder in Richtung Tal gehen. So kommen wir unverhofft zu einem gemütlichen Nachmittag auf der Zeltwiese und können die verschiedenen Zelttypen unserer Nachbarn im Hinblick auf ihre Windtauglichkeit vergleichen.

Die Natur ist umwerfend. Wortwörtlich!

Da es am nächsten Tag dann tatsächlich regnet, beschließen wir einen Organisationstag einzulegen und erst tags darauf die Wanderung zum Fitz Roy anzugehen. Nadi warnt Adi schon seit wir hier angekommen sind, aber irgendwie haben wir trotzdem keine Lust früh aufzustehen. Dementsprechend werden unsere ersten Kilometer auf dem „Sendero Fitz Roy“ zu einer Massenwanderung, wie wir sie bei den Torres del Paine nur als Gegenverkehr hatten. Zwar überholen wir eigentlich alles, was vor uns auftaucht, aber es pilgern wirklich Massen diesen Weg hoch. Ehrlicherweise ist das auch mehr als verständlich! Das Wetter ist ausnahmsweise tatsächlich so wie prognostiziert. Fast keine Wolke am Himmel und schon gleich beim ersten Aussichtspunkt auf den berühmten Gipfel schleicht sich uns ein fettes Grinsen ins Gesicht 😊

Ein Anblick, der nicht allen Wanderern zuteilwird. Fitz Roy ohne Wolken!
Der Beweis, dass wir das obere Bild nicht nur aus der Broschüre abfotografiert haben
Oben angekommen und tatsächlich ein Bild ohne weitere Touris!

Die Wanderung geht nach einigen, gemütlichen Kilometern das letzte Stück knackig den Berg hoch und wir kommen an vielen Leuten vorbei, denen es egal zu sein scheint, dass oben eine schöne Aussicht wartet und die sehnsüchtig wieder Richtung Tal schauen. Ehrlicherweise ist die Wanderung mit einer Gesamtlänge von ca. 20 Kilometern auch nicht ganz zu unterschätzen. Aber es lohnt sich allemal, sich auch die letzten Kilometer noch nach oben zu arbeiten. Man ist dort zwar auch nicht allein, aber es gibt hier genügend Möglichkeiten, sich windgeschützt hinter einem Felsbrocken hinzusetzen, etwas zu essen und zu trinken und den vielen Kondoren zuzusehen, die teils knapp über unsere Köpfe hinweg fliegen und vor dieser wirklich gigantischen Kulisse ihre Kreise ziehen. Da vergisst man sogar, dass man mit der halben Erdbevölkerung raufgelatscht ist.

Beim Rückweg entscheiden wir uns für den längeren, aber dafür weniger überfüllten Weg außenherum ins nächste Tal und dann ins Dorf zurück. Zum ersten Mal auf dieser Reise merken wir unsere Füße richtig arg. Zumindest Adi, der mittlerweile kein großer Fan seiner Fehlkaufschuhe mehr ist. Adi braucht nicht mal große Überredungskünste, um Nadi davon zu überzeugen, dass ein Willkommens-Bier in der Kneipe neben dem Campingplatz eine gute Idee ist. 

Und dass es dann zur Feier des Tages doch zwei werden, ist dann grad auch noch wurscht! Und nachdem wir bei unserer Wanderung wieder mal richtig Glück mit dem Wetter hatten, machen wir uns am nächsten Tag trotz super Wetter auf die Weiterfahrt.

Was für eine Verabschiedung! Viel besser könnte der Blick in den Rückspiegel nicht sein!

Der nächste große Wegpunkt dieser Reise ist die Peninsula Valdes. Eine Empfehlung von Nadi’s Schwester. Anscheinend kann man dort mit viel Glück zwischen Anfang Februar und Anfang April Orcas beobachten. Diese Möglichkeit klingt viel zu verlockend, als dass wir diesen Ort bei unserer Reise einfach umfahren könnten. Was bei unserer Recherche allerdings mal wieder auffällt, ist, dass die Distanzen hier in Argentinien nicht ansatzweise vergleichbar sind mit denen in Europa, geschweige denn Deutschland. Der kleine Umweg an die Ostküste Argentiniens beträgt lächerliche 750 km. Und das ist bei weitem noch nicht einmal eine Querung an der breitesten Stelle des Landes. Der Gesamtweg zu diesem Ziel ist allerdings doppelt so weit und so machen wir uns auf ein paar lange Fahrtage gefasst. Dass uns allein bei dem Gedanken an die ewige Geradeausfahrerei schon der Hintern weh tut, versuchen wir irgendwie zu verdrängen! Die folgenden Tage sind fahrerisch so ziemlich das Langweiligste, was wir bisher erleiden durften. Sogar Feuerland war dagegen interessanter. Zwar nicht viel, aber das macht es ja auch nicht besser. Die einzige Abwechslung in dieser Einöde besteht aus einer kurzen Strecke, von ziemlich genau 73 Kilometern, die nicht asphaltiert und teilweise sehr schlecht geschottert ist. Diesem Umstand verdankt der Abschnitt auch seinen Namen: Maltidos 73. Frei übersetzt: Die Schlechten 73. Sie sind ein Teil der berühmten Ruta 40 und bei Motorradreisenden genauso berühmt, wie die lange Nationalstraße, die das Land vom Norden in den Süden durchquert. Die Maltidos sind nicht nur berühmt, sondern auch berüchtigt dafür, dass man bei starkem Wind (Der hier unten quasi permanent herrscht) mit dem Motorrad aus den Fahrspuren der Autos herausgedrückt und in den weichen Schotterstreifen neben der Straße oder zwischen den Autospuren gedrängt wird. Wenn das passiert, schmiert einem das Vorderrad weg und wenn man die Maschine dann nicht verfängt, landet man unweigerlich auf der Nase. Natürlich haben findige Argentinier das als neue Geschäftsgrundlage entdeckt und bieten nun einen Shuttle-Service für Motorräder an. Für schlappe 120 US-Dollar wird jedem dieser Service zuteil, der keinen Bock auf Schotterpiste fahren hat.

So sehen die meisten Straßen durch die Pampa aus. Es ist schwer keinen Tunnelblick zu bekommen

Wir entscheiden uns, die Strecke selber zu fahren, takten unsere Etappen aber so, dass wir die Maltidos zu einem Zeitpunkt erreichen sollten, an dem uns unsere Wind-App sehr wenig Seitenwind verspricht. Als wir an einer Tankstelle anhalten, die wie sich herausstellt, keinen Sprit hat, kommt ein brasilianischer GS-Fahrer mit seiner Sozia zu uns und fragt uns, wohin wir fahren. Wir sagen ihm, dass wir in den Norden und demnach heute noch die Maltidos fahren werden. Seine Augen werden groß und er schaut auf die Uhr. „Es ist fast 4 Uhr und der Wind ist höllisch heute! Wir kommen gerade von da oben. Macht das nicht heute!“, ist sein Ratschlag an uns. Er zeigt uns die Schrammen auf seinem Helm und meint, dass er drei Mal gestürzt sei und für die Strecke mehr als drei Stunden gebraucht hätte. Na toll! Jetzt ist die Stimmung wieder bombastisch und Nadi, die bisher eine so gute Laune hatte, verfällt wieder in den Panikmodus… Ohne getankt zu haben fahren wir weiter und Adi versucht, Nadi mit Engelszungen zu beruhigen. Naja, vielleicht ist das etwas übertrieben… Vielleicht sagt er auch, sie soll sich nicht so anstellen und wenn´s nicht geht, dann drehen wir um und warten bis der Wind besser wird. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Die sonst so gerade Straße macht gerade eine leichte Kurve über eine Kuppe, als ohne Vorwarnung der Asphalt aufhört. Wir haben die Maltidos wohl jetzt erreicht. Die ersten Kilometer sind allerdings alles andere als spannend. Die Schotterpiste ist breit und über die gesamte Fahrbahn festgefahren. Wenn wir die Geschwindigkeit beibehalten können, brauchen wir nicht mal eine Stunde. Wir überholen Autos und Wohnmobile und sind positiv überrascht, dass er Wind von hinten kommt! „Mal schauen, wann der widerliche Teil mit dem tiefen Schotter kommt!“. Kaum hat Adi den Gedanken vollendet, fängt die Maschine unter ihm auch schon zu schwimmen an. Hier also ist der knifflige Teil. Die Spurrillen sind allerdings recht gut zu erkennen und wir fahren etwas langsamer, aber trotzdem mit Zug am Gas weiter. Die Maschinen schaukeln recht unangenehm. Das ist bei solchen Untergründen leider immer so. So richtig lieb werden wir diese Art von Untergrund allerdings trotzdem nicht gewinnen. Adi fährt, wie immer bei solchen Strecken, voraus, um Nadi vor Gegenverkehr hinter Kurven, Schlaglöcher in der Spur oder tiefem Schotter warnen zu können. Gerade sagt er: „Pass auf, hier wird´s musig!“, als er Nadi schon laut schnaufen und fluchen hört. Im Spiegel sieht er bloß noch, wie sie neben die Fahrrille gerät und ihre kleine, rote Maschine mit der Seite im Schotter eingräbt. Noch bevor Adi anhalten und absteigen kann, hört er über den Funk: „Alles gut, mir ist nix passiert! Mich hat´s nur hingelegt!“. Gott sei Dank! Als wir gemeinsam das Motorrad aufstellen und Adi es wieder mit der Schnauze in die richtige Richtung platziert, sagt Nadi glücklich: „Ich hab´ gemerkt wie ich in´s Schlingern komme und dann hab ich gewusst, jetzt haut´s mich hin! Und dann hab´ ich die Knie fest an den Tank gedrückt und es war gar nicht schlimm! Voll gut!“ Was für eine Erkenntnis 😊

Wir fahren noch circa zwei Kilometer im tiefen Schotter, bevor die Strecke wieder breit und fest wird. Die restlichen Kilometer sind nur noch staubig, aber problemlos, bis wir wieder Asphalt unter den Rädern haben. Alles halb so wild also. Naja, wir hatten auch Schwein mit dem Wind! Egal, jetzt geht’s asphaltiert bis zur Peninsula Valdes!

Das Belohnungs-Pan-de-Chocolate haben wir uns für nach dem Schotter aufgehoben!

Die nächsten Tage sind sehr langweilig und die Orte, in denen wir anhalten, sind wenig einladend. Die Stimmung bei uns beiden wird von Tag zu Tag gedrückter. Ist die Insel diese Scheiss-Fahrerei tatsächlich wert? Sollen wir umdrehen und wieder in die Berge zurück gehen? Lauter solche Fragen schießen uns durch den Kopf. An den Plätzen, auf denen wir übernachten, fühlen wir uns samt und sonders nicht wohl. Und dass es uns an der Küste in Comodore Rivadavia einen Tag lang so richtig anschifft, sorgt auch nicht für eine Entspannung der Lage.

Wir fahren schon mit der Einstellung auf die Peninsula Valdes, dass wir hier wahrscheinlich gar nix sehen und die 1500 Kilometer Umweg für die Tonne waren. Außerdem soll der einzige Platz, auf dem man auf dieser Insel zelten darf, groß, hässlich und vollgemüllt sein. Die Einfahrt zum Campingplatz sieht tatsächlich aus wie die zu einem Industriegelände. Dahinter erstreckt sich ein riesiger Campingplatz mit sandigen Stell- und Zeltplätzen und einigen Grünstreifen zwischen den langen Stellreihen. Naja, klar ist es hier sandig, wir sind halt auch hinter den Dünen direkt am Strand! Wir stellen unser Zelt unter einem schönen, großen Baum auf einem kleinen Plateau auf und sind positiv überrascht von unserem kleinen Plätzchen. Und da es noch nicht mal ein Uhr nachmittags ist, machen wir uns noch auf den Weg zu einem der drei großen Aussichtspunkte der Peninsula Valdes. Vielleicht haben wir ja Glück und sehen heute tatsächlich doch noch was. Mit dieser Hoffnung fahren wir los und biegen gleich zwei Kilometer vom Campingplatz entfernt auf die Sandpiste ein, die zum Aussichtspunkt führt. Frisch verschlimmbessert, oder wie man hier zu sagen pflegt, repariert, liegt der Weg nun noch schlappe 80 km vor uns. Meistens bolzgerade, so wie man es hierzulande gerne hat. Die Strecken haben auf der Karte sooooooo viel kürzer ausgesehen. Die Ansicht auf dem Navi ist hier einfach irreführend! Mit jedem Kilometer auf der Sandpiste wird das Gefühl für den Untergrund besser und wir sind bald an unserem Ziel, dem Punta Norte, angekommen. Die Tafel am Eingang des Steges über den Klippen verrät uns, dass das letzte Mal am 08.02.2024 hier fünf Orcas gesichtet wurden. Am anderen Punkt, Caleta Valdes, wurden gestern wohl Zwei gesehen! Scheint, als wären nicht allzu viele dieser Tiere hier. Vielleicht haben wir ja trotzdem Glück! Als wir auf dem Steg vom Parkplatz zur Klippe über dem Strand gehen, kann man schon die Wellen und das Geschrei der Seelöwen hören. Es hört sich manchmal irgendwie an, wie Ziegen auf einer Wiese. Wir kommen vorne an und sehen gleich einen ganzen Haufen Seelöwen-Kolonien am Strand liegen. Nebenan und manchmal auch zwischen den Seelöwen liegen zwar noch junge, aber trotzdem sehr viel größere und dickere Seeelefanten und schnauben vor sich hin.

Junger Seeelefanten-Bulle, der hier nur aktiv aussieht. Normal ist die Pose seiner Artgenossinnen rechts.

Die Jungen der Seelöwen sind noch sehr klein und unbeholfen und stolpern zwischen den großen Tieren hin und her und gehen sogar manchmal im Meer, das sich so langsam mit der Ebbe zurückzieht, planschen. Wir bleiben fast vier Stunden hier und genießen den beruhigenden Anblick des Meeres, hören dem Rauschen der Wellen zu und beobachten die kleinen Seelöwen beim Spielen. Diese kleinen Leckerbissen sind auch der Grund, weswegen die Orcas zu dieser Jahreszeit an die Küste kommen und hier ihre weltweit einzigartige Jagdtechnik üben. Sie lassen sich, wenn die Flut kommt, mit einer Welle an den Strand spülen, versuchen eines der dort sitzenden Seelöwen-Babys zu fangen und lassen sich mit der nächsten Welle wieder ins Meer zurück ziehen. Wir beschließen, dass wir zwar gerne Orcas sehen würden, die versuchen die Kleinen zu jagen, aber das dann vielleicht doch nicht schaffen. Irgendwie sind die kleinen schon echt knuffig!

Die kleinen Seelöwen spielen in den Wellen und werden nicht selten von ihnen ein paar Meter ins Meer gezogen.

Als wir uns unseren standardmäßigen Mittagssnack, Brot mit Olivenpaste und Käse, vorbereiten, raschelt etwas im Gebüsch. Wir trauen fast unseren Augen nicht, als sich ein Gürteltier auf den Steg kämpft und schnurstracks auf uns zukommt. Scheins hat das Bürschchen Hunger und hofft, dass es etwas abbekommt von unserem Mittagessen. Hier stehen überall Schilder, dass man auf dem Steg auf den Klippen nichts essen darf, weil man sonst die Gürteltiere anlockt. Und die doch gefälligst selber jagen sollen. Dass die hungrigen Touris dann auf dem Parkplatz essen oder beim Restaurant daneben, scheinen die Kerlchen aber auch zu wissen und kommen dann einfach dort hin. Wir bekommen unser Essen allerdings gut verteidigt. Und obwohl das Tierchen Adi fast in den Stiefel beißt, muss es sich ungefüttert wieder auf den Weg in die Dünen machen und sich selber was zu essen suchen.

Gustl das Gürteltier macht sich auf den Weg zum Parkplatz, wo er sich einen kleinen Snack erhofft
Aber leider geht er leer aus!

Als wir den Weg zum Zeltplatz wieder zurückfahren, beschließen wir, dass sich der Weg hierher auf jeden Fall gelohnt hat! Selbst, wenn wir hier keine Orcas zu sehen bekommen. Allein schon die kleinen Seelöwen, die Seeelefanten und das freche Gürteltier waren die Hinternplattsitzerei hierher wert! Morgen versuchen wir unser Glück noch beim anderen Aussichtspunkt und mehr können wir eigentlich auch nicht erwarten. Ein bisschen Glück gehört eben auch immer mit dazu!

Am nächsten Morgen brechen wir früh auf, um rechtzeitig noch vor der Flut am unteren Aussichtspunkt in Caleta Valdes zu sein. Auf dem Weg dorthin liegt noch ein weiterer Mirador, bei dem man eine kleine Kolonie Humboldt-Pinguine beobachten kann. Wobei „beobachten“ das falsche Wort ist. „Belästigen“! trifft es eher. Als wir dort anhalten, sehen wir schon von Weitem das Absperrband mit dem der Steg abgehängt ist. Als wir zu dem Steg gehen, wird auch gleich klar warum. Die Pinguine haben ihre Nester mittlerweile so nahe an die Stege gebaut, dass man nichtmehr darauf laufen kann, ohne einem der kleinen Vögel auf den Schnabel oder die Flossen zu treten. Wirklich scheu scheinen die jedenfalls nicht mehr zu sein! Wenn man sich überlegt, wie weit wir zu Beginn unserer Reise für die kleinen Tierchen gefahren sind, scheint es absolut verächtlich, dass wir hier nur knapp zehn Minuten anhalten, um die Pinguine zu bestaunen. Schließlich sind wir hier, um Orcas zu beobachten, die kleine Seelöwen fressen! Auch wenn wir immer noch nicht so richtig wissen, ob wir das wirklich sehen wollen.

Ganz und gar unbeeindruckt erobern die Humboldt-Pinguine sich den Platz zurück

Wir fahren also die paar Kilometer weiter und gehen über einen weiteren Steg auf die Klippen über dem Wasser. Hier sollen also vorgestern Orcas gesehen worden sein! Kaum zu glauben, ist doch hier am Strand so gar nix fressbares unterwegs. Ein paar junge Seeelefanten liegen am Strand und machen einfach gaaaar nix. Außerdem sind die eh zu groß, um noch von Orcas gefressen zu werden. Wir warten zwei Stunden, bis Nadi zu dem Parkranger geht, der oben in seinem Häuschen sitzt und telefoniert. „Heute Morgen haben sie Orcas am Punta Norte gesehen“, ist die Info, mit der sie zurück kommt. Mit dem Wissen, dass die Flut am Punta Norte anderthalb Stunden später ist als hier und dass wir für die 80 Kilometer zwischen den beiden Punkten ca. eine Stunde brauchen, fahren wir los. Wir kommen genau zu dem Zeitpunkt an, an dem der Höchststand der Flut am Punta Norte erreicht sein soll. Stress machen wir uns keinen, weil wir eh nicht davon ausgehen, dass die Orcas noch hier sein werden. Als wir gemütlich auf dem Steg Richtung Strand den ersten Blick auf´s Meer erhaschen, sehen wir ein riesiges Rückenschwert eines Orcas, das sich gerade vom Strand entfernt! WOW! Haben wir das gerade wirklich gesehen? Wir rennen fast schon zum Steg, von dem aus wir gestern die vielen Seelöwen beobachtet haben. Und tatsächlich, keine Wunschvorstellung! Es sind tatsächlich zwei Orcas, die direkt vor unseren Augen den Strand auf und ab schwimmen, auskundschaften, wo es was zu holen gibt und tatsächlich auch die Seelöwen direkt am Ufer jagen! Wir können unser Glück kaum fassen! Die Menschen, die mit uns auf dem Steg stehen haben alle ihre Handys, Digital-, Video- und Spiegelreflex-Kameras in den Händen und starren gebannt auf die Szenerie vor uns. Zwischen ihnen erkennen wir eine Parkrangerin und fragen sie, wie lange die Orcas schon hier sind. „Seit zwei Stunden in der Nähe und seit 20 Minuten hier jagend am Strand! Es sind zwei. Ein Männchen und ein Weibchen. Die beiden sind Geschwister“. Gigantisch! Wir sehen, wie sich die Seelöwen aufgeregt in den Wellen tummeln, die kleinen Seelöwen am Strand auf und ab rennen und die Orcas einen Angriff nach dem anderen versuchen. Wir haben abwechselnd Handy, Gopro und die Kamera in den Händen, staunen mit offenen Mündern und können unser Glück kaum fassen. Wahnsinn, dass wir tatsächlich Orcas hier sehen dürfen! Und dann auch noch jagend. Das sind Bilder, die uns, selbst wenn alle digitalen Aufnahmen zerstört werden sollten, nie mehr verloren gehen werden.

Orca im Anmarsch! Die erwachsenen Seelöwen versuchen ihn irgendwie fernzuhalten.
Während der eine Orca sich „anschleicht“, schwimmt der andere an der Küste entlang und hält Ausschau
Das Wasser ist sehr flach und die Orcas müssen teils ordentlich nachhelfen, um wieder ins Tiefere zu gelangen.

Schweigend sitzen wir da und beobachten das Schauspiel. Selbst, als die beiden Orcas die Küste schon deutlich weiter runter geschwommen sind und von unserem Punkt aus nur noch zu erkennen sind, wenn man es weiß, wo man hinzuschauen hat, sitzen wir noch da und starren auf´s Meer. Wir versuchen diesen Moment bis zum Schluss auszukosten. Doch irgendwann macht sich auch hier wieder der Hunger bemerkbar und wir gehen zurück zum Parkplatz. Hier wartet unser Mittagessen wieder auf uns. Und natürlich auch das freche Gürteltier, das uns gestern schon so ungeniert nach Essen gefragt hat! Wir taufen ihn „Gustel“. Irgendwie passt das. Aber auch diesmal geht Gustel leer aus und wir machen uns bald wieder auf den Heimweg. Die Bilder der letzten Stunden lassen die Fahrt über die langweilige Piste wie im Flug vergehen. Überglücklich kriechen wir ins Zelt und schlafen so gut wie schon lange nicht mehr. Morgen werden wir nochmal da hoch fahren und uns von den Tierchen verabschieden, bevor es wieder zurück in Richtung Anden geht. Vielleicht haben die Orcas ja nochmal Hunger und versuchen ihr Glück! Wenn nicht, auch nicht schlimm. Der Groll der Herfahrt ist verflogen und mit dem Wissen, dass wir vielleicht sogar mehr gesehen haben, als wir von diesem Ort erwartet haben, lässt sich leicht sagen, dass sich der Weg hierher mit jedem Meter gelohnt hat!

Fahr far reaches