April
2024
Bolivien
Potosí und Sucre
Es ist wieder einmal recht zapfig als wir aus dem Zelt klettern. Die Sitzbänke der Motorräder sind wie so oft gefroren. Aber die Sonne scheint, die Llamas sind wieder unterwegs und wir haben hier heute Nacht mal wieder super geschlafen! Wir frühstücken, packen unsere sieben Sachen zusammen, bemühen noch ein bisschen unsere Sprach-App und schwingen uns wieder auf unsere Motorräder. Uyuni liegt noch ca. 120 km entfernt und wir werden es voraussichtlich noch vor 13 Uhr dorthin schaffen. Das ist recht angenehm, weil wir nicht sicher sind, ob wir sofort ein brauchbares Hostel finden. Die perfekte Teerstraße endet ca. 30 km vor Uyuni. Wirklich sinnvoll ist das für uns nicht, aber irgendwas werden sich die Leute schon dabei gedacht haben. Die letzte Hälfte ist ziemlich grottig. Hier werden gerade noch die letzten Meter mit den Gradern ebengeschoben, bevor wir über den recht losen Sand-Schotter fahren. Dann geht es auf recht holprigen Schotterpisten die letzten Kilometer in die Stadt. Uyuni scheint schnell zu wachsen. Die neuen Stahlbeton-Skelett-Bauten, die zwischen den Betonsäulen mit hochwertigen Ziegeln ausgemauert sind, sehen richtig gut aus! Der Standard scheint hier auf den ersten Blick höher zu sein, als wir das bisher aus Chile oder Argentinien gewohnt sind. Zumindest bei den Neubauten. Man hat das Gefühl, dass die Einstellung hier ist: Wenn schon, dann richtig. Das beeindruckt uns wirklich. Zumindest Adi hatte etwas völlig anderes erwartet.
Das Hostel, das wir uns ausgesucht haben, hat glücklicherweise noch Platz für uns und die Motorräder können wir sogar im abgeschlossenen Innenhof parken. Nachdem wir uns in unserem Zimmer halbwegs eingerichtet haben, steht wie immer, wenn wir in ein neues Land kommen, erst einmal „Geld abheben und SIM-Karte besorgen“ auf dem Programm. Nach unserer bisherigen Erfahrung ist das in südamerikanischen Ländern sehr zeitintensiv, daher sind wir mehr als überrascht, als wir beides in nicht mal einer halben Stunde erledigt haben. Da wir nun doch mehr Zeit haben, als erwartet, haben wir Zeit uns nach einem Restaurant umzuschauen. Das Erste scheint wie vom Erdboden verschlungen. Beim Nächsten haben wir mehr Glück. Durch einen sehr kleinen Eingang kommen wir in einen recht nett eingerichteten Raum mit wenigen Tischen, an denen auch einige Einheimische sitzen. Das ist meistens ein gutes Zeichen! Das Restaurant hat sich auf gegrillte Spieße spezialisiert. Die kleinen Spieße mit Beilage kosten 15 Bolivianos. Das sind ziemlich genau zwei Euro! Und da sind die Beilagen schon mit inbegriffen. Das ist der Hammer! Adi freut sich über die leckeren und günstigen Spieße derart, dass er gleich mal fünf davon verdrückt. Der Wein, den uns die nette Besitzerin empfiehlt, rundet den Abend vollends ab und wir fallen mit der nötigen Schwere ins Bett.
Für den nächsten Tag stellen wir uns keinen Wecker. Wir wollen erst einmal wieder richtig ausschlafen. Nadi kriegt das auch problemlos hin. Adi allerdings wacht sehr früh auf. Woran das liegt, kann er nicht genau sagen. Immerhin kann er die nächsten Stunden gemütlich nutzen, um die letzten paar Wochen wieder in Worte zu fassen und so ist der Morgen immerhin auch halbwegs brauchbar genutzt.
Mittags klappern wir eine Agentur nach der anderen ab. Wir haben uns dazu entschieden, nicht mit den Motorrädern auf den Salzsee rauszufahren, sondern eine geführte Tour zu machen. Das Salz gelangt bei einer Fahrt über den Salzsee an Stellen, die man selbst mit sorgfältigster Reinigung nicht erreicht. Die Autos, die wir auf der Straße stehen sehen, sind teilweise mit einer sehr dicken Salzkruste bedeckt und bestätigen unsere Befürchtung, dass das unsere Motorräder stärker in Mitleidenschaft ziehen würde, als wir wollen. Wir beschließen daher, dass lieber die Touranbieter ihre Autos opfern als wir unsere Fahrzeuge! Leider stellt sich heraus, dass alle Agenturen dieselbe Tour anbieten und derzeit nicht einmal bis zur berühmten Insel Incahuasi raus fahren. Ausgerechnet jetzt ist wohl der schlechteste Zeitpunkt, um auf den Salzsee rauszufahren. Denn der See ist in einem Übergangsstadium zwischen nass und trocken. Das hat zur Folge, dass die Salzkruste noch relativ weich ist und das Profil der Reifen sehr viel Salzschlamm nach oben schleudert. Das erklärt auch die Salzkrusten an den Autos. Da wir aber eigentlich gerne mehr als nur einen halben Tag auf dem Salar verbringen wollen, beschließen wir, zusammen mit unseren vanreisenden Bochumern Laura und Adrian erst nach Potosi und danach nach Sucre zu fahren und in ca. anderthalb Wochen wieder zurück nach Uyuni zu kommen.
Bevor wir Uyuni allerdings verlassen, gehen wir noch zum berühmten Zug-Friedhof am Stadtrand. Wenn die ganzen Touren, die diesen Ort als ersten Anlaufpunkt besuchen, weg sind, kann man hier wirklich witzige Bilder machen. Die vielen Dampfloks die hier abgestellt und zum Verrosten zurückgelassen wurden, geben echt lustige Fotomotive ab. Jede Menge Menschen klettern auf den verrosteten Wagons und Lokomotiven herum und machen unendlich viele Bilder! So auch wir!
Danach machen wir uns auf den Weg in Richtung Potosi, eine fast schon Millionenstadt in den Bergen Boliviens, die für ihre Silberminen berühmt ist. Adi ist sich noch nicht sicher, ob er die Minen wirklich besuchen will, da er allein beim Gedanken daran, tief in die niedrigen Stollen zu gehen, leichte Beklemmungen bekommt… Doch vorher machen wir noch einen Zwischenstopp an einem sehr schönen Wildcampingplatz. Wir sind etwas verdutzt, als wir ankommen und uns hunderte von spielenden Kindern und deren erwachsene Betreuer erwarten. Wie sich herausstellt, ist heute der „Dia de los Ninos“, was hier wohl zum Anlass genommen wird, riesige Kinderfreizeiten zu organisieren und mit den Kindern raus in die Natur zu fahren. Wir warten noch ca. zwei, drei Stunden, bis die riesige Gruppe mit jeglicher Art von Bussen abgeholt wurde und stellen erst dann unser Zelt in einer wieder menschenleeren Umgebung auf. Allerdings dauert es nicht lange und wir sind wieder einmal umzingelt von hunderten von neugierigen Llamas. Nachdem wir im halbdunkeln noch schnell etwas gekocht und gegessen haben, machen wir spontan einen Kino-Abend in Lauras und Adrians Van. Die beiden haben nämlich tatsächlich eine kleine Leinwand und einen sehr kleinen Beamer dabei. So kommen wir unverhofft zu einem Heimkino inmitten der bolivianischen Natur! Wer kann das schon von sich behaupten?!
Der nächste Morgen erwartet uns mit strahlend blauem Himmel. Wir packen unsere sieben Sachen, frühstücken und machen uns auf den Weg nach Potosi. Adi hat sich mittlerweile dazu durchgerungen, doch eine Minenführung machen zu wollen und wir beschließen als erstes zu einem der Tourenanbieter zu fahren. Die Agentur liegt etwas außerhalb und scheint zumindest auf der Landkarte leicht anzufahren zu sein. Welch grandioser Irrtum. Wir haben zwar gelesen, dass Potosi an den Berg gebaut ist, in den die Minen gegraben wurden, allerdings hätten wir nicht gedacht, dass die Straßen so winzig und steil sind, dass wir selbst mit den Motorrädern das Gefühl haben zu wenig Platz in den engen Gässchen zu haben!
Die Agentur liegt in einem der höchsten Bezirke der Stadt und der Verkehr hier ist höllisch. Wer hupt, hat Vorfahrt. Und wenn gleichzeitig gehupt wird, gilt das Recht des Mutigeren. Für uns heißt das, ständig anhalten und an den steilsten Passagen wieder anfahren. Es dauert dementsprechend nicht lange bis es ordentlich nach Kupplung stinkt und die Lüfter auf Hochtouren laufen! Nach der erfolglosen Suche nach dem ausgewählten Touranbieter fahren wir einige noch engere Sträßchen zurück in die Innenstadt und suchen unser Hostel. Die Straße in der das Hostel liegt ist genauso eng, wie die bisherigen. Dementsprechend blockieren wir die ganze Straße, als wir unsere Motorräder durch die schmale Eingangstür in den Innenhof manövrieren. Das beschert uns ein wütendes Hupkonzert der wartenden Busfahrer, aber nach kurzer Zeit haben wir die Maschinen gut versorgt und können unser Zimmer beziehen. Danach kümmern wir uns um dann doch noch um eine Tour in die Minen und gehen uns die Innenstadt anschauen. So bescheiden die Anfahrt zu unserer Unterbringung ist, so schön zentral ist deren Lage.
Zwei Blocks entfernt liegt der Hauptplatz „Plaza Prinicipal 10 de Noviembre“ mit schönen angelegten Beeten, umrundet von einer großen Kirche und kleinen Cafés, in denen es wirklich guten Kaffee gibt! Direkt daneben liegt die Catedral Metropolitana del Apóstol Santiago. Der Eintritt kostet 20 Bolivianos, was umgerechnet nicht ganz drei Euro sind. Allerdings ist in dem Preis ein Führer enthalten, der uns die Kirche erst einmal aufschließt und uns dann noch einige Dinge zum Gebäude und der Stadt erklärt. Dafür ist der Preis wirklich gerechtfertigt. Außerdem kann man auf den Glockenturm steigen und hat von dort einen tollen Überblick über die Stadt und die umliegenden Berge. Von dort oben ist auch sehr gut zu erkennen, dass die Dächer der Altstadt hauptsächlich mit Tonziegeln gedeckt sind. Das ist ein für uns recht seltener Anblick in Südamerika. Potosi hat ein Gesetz erlassen, dass die Besitzer der Innenstadt-Häuser verpflichtet, ihre Dächer mit den von Hand über die Oberschenkel geformten Tonziegel zu decken, um das historische Stadtbild zu wahren. Und es funktioniert. Es sieht wirklich gut aus und viele der Dächer sind nagelneu. Auch das Innere der Kathedrale sieht nicht halb so verfallen aus, wie bei den Kirchen, die wir beispielsweise in Salta besucht haben. So langsam stellt sich uns die Frage, warum die „reichen“ beiden Nachbarländer Chile und Argentinien so wenig von Bolivien halten. Für uns gibt es nicht wirklich einen Grund für deren Hochnäsigkeit. Mittlerweile sind wir uns jedoch sicher, dass viele derjenigen, die uns vor Bolivien gewarnt haben, noch niemals dort waren.
Nachdem wir uns bei unserem sehr freundlichen und sehr deutlich sprechenden spanischsprachigen Guide bedankt und verabschiedet haben, machen wir uns auf den Weg, um eine Kleinigkeit zum Essen zu finden. Wir gehen ein paar Blocks weiter und finden den Eingang zum Mercado Central, dem Lebensmittel-Markt Mitten in Potosi. Hier wird alles verkauft, was man nur essen kann. Von ungekühltem Fleisch und Fisch über Käse, hin zu wirklich sehr lecker aussehendem Obst und Gemüse. Endlich gibt es wieder richtig frisches, knackiges Gemüse und eine große Auswahl an Obst und tropischen Früchten. Das haben wir in Argentinien und Chile sehr vermisst.
Nebenan führt einen ein unscheinbares Gässchen in den noch größeren Klamotten-Markt. Unzählige Stände verkaufen hier das immer gleiche Zeug. Erst kommen wir an zig Ständen vorbei die Unterwäsche verkaufen, dann Schuhe, Kinderklamotten, Männerhosen, Frauenhosen, T-Shirts, Pullis, Jacken und natürlich die bunten bolivianischen Tücher, die hier alle Frauen auf den Rücken gebunden haben, um ihre Waren oder Kinder zu transportieren! Wir kommen uns vor wie auf einem türkischen Bazar mit all den engen Gängen, der lauten Musik, den Verkäufern, die immer versuchen, die Leute an ihren Stand zu locken und zwischendrin die spielenden Kinder, die zwischen den Ständen durchwuseln.
Da wir aber keine Klamotten brauchen und wir so langsam Hunger bekommen, machen wir uns auf den Weg, um ein Restaurant zu finden. Wir finden ein Lokal, das uns beide sofort an einer unserer Studenten-Stammkneipen erinnert. Ein bunter Mix aus Touristen und Einheimischen sitzt an den vielen Tischen in den recht dunklen Räumen, deren Wände mit Edding-Malereien und Reise-Stickern überdeckt sind. Der Kellner empfiehlt uns die Pikante Soße zu unserem Essen und wir müssen feststellen, dass anders als in den südlichen Nachbarländern, in Bolivien pikant wirklich pikant ist. Gott sei Dank kommt die Soße separat, ansonsten wäre vom Geschmack des Essens nicht mehr allzu viel zu schmecken geblieben.
Da wir aber keine Klamotten brauchen und wir so langsam Hunger bekommen, machen wir uns auf den Weg, um ein Restaurant zu finden. Wir finden ein Lokal, das uns beide sofort an einer unserer Studenten-Stammkneipen erinnert. Ein bunter Mix aus Touristen und Einheimischen sitzt an den vielen Tischen in den recht dunklen Räumen, deren Wände mit Edding-Malereien und Reise-Stickern überdeckt sind. Der Kellner empfiehlt uns die Pikante Soße zu unserem Essen und wir müssen feststellen, dass anders als in den südlichen Nachbarländern, in Bolivien pikant wirklich pikant ist. Gott sei Dank kommt die Soße separat, ansonsten wäre vom Geschmack des Essens nicht mehr allzu viel zu schmecken geblieben. Jedenfalls gut zu wissen, dass wir hier mit der Schärfe etwas aufpassen müssen! Nachdem wir fürstlich gespeist und ausgiebig getrunken haben machen wir uns auf den Weg zurück zum Hostel. Morgen sollten wir pünktlich fertig sein, um den Start der Tour um halb 9 nicht zu verpassen.
Nach dem Frühstück beeilen wir uns etwas, um tatsächlich pünktlich an der Straße vor dem Hostel auf unsere Abholung zu warten. Wilson, unser englischsprachiger Führer begrüßt uns freudig auf dem Gehweg und wir fragen uns, woher er weiß, dass wir zu seiner Gruppe gehören! Wir steigen in den kleinen Minibus ein und fahren zum Treffpunkt. Als wir dort auf dem Markt Laura und Adrian stehen sehen, sind wir uns dann doch sicher, in der richtigen Gruppe zu sein! Auf dem kleinen Markt gibt es Essensstände, an denen die Minenarbeiter ihr „Frühstück“ zu sich nehmen. Kiloweise Hühnchen, Reis und Kartoffeln.
An den Verkaufsständen daneben gibt es den Rest, den sie für ihre Arbeitstage benötigen: Zigaretten, Coca-Blätter im Kilo-Sack und 96-prozentigen Industrie-Alkohol. Brotzeit oder Mittagspause gibt es in den Minen nicht, erzählt uns Wilson, der selbst in vielen der Minen gearbeitet hat, seit er acht Jahre alt war. Nun arbeitet er dort nicht mehr, weil er Probleme mit der Lunge habe, und die Touristen-Führungen seien der Gesundheit deutlich zuträglicher. Leider gibt es allerdings immer noch Kinder, die in den Minen arbeiten, anstatt in die Schule zu gehen, weil sich damit mehr Geld verdienen lässt. Auch wenn es anscheinend schon deutlich weniger Kinder geworden seien als zu Wilsons Zeit, ist das für uns unvorstellbar und ein echt beschissener Gedanke!
Unsere achtköpfige Gruppe kauft an einem der Stände Mitbringsel für die Minenarbeiter. Das sei hier so Brauch, dass die Touri-Gruppen ihnen Coca-Blätter, Limonade, Zigaretten und Handschuhe mitbringen. Den Industrie-Schnaps sollen wir ihnen nicht mitbringen, meint Wilson, weil die Jungs sich sonst in der Mine nur betrinken. Und da heute Samstag ist und die Minenarbeiter ohnehin das Wochenende mit dem Hochprozentigen einläuten, sei es keine gute Idee, ihnen noch mehr davon mitzubringen.
Wilson gibt uns eine kleine Einführung in die Verhaltensregeln in den Stollen. Die Bergleute seien sehr abergläubisch. Deswegen soll man sie nie nach Unfällen oder Verstorbenen fragen, das bringt Unglück! „Geht mit einer positiven Einstellung in die Mine, dann wird auch nichts passieren!“, sagt er uns als aufmunternde Worte zu Beginn der Tour. Nach dieser Ansage wird Adi leicht hibbelig. Klingt nicht besonders vertrauenserweckend… Und die Engen Tunnel machen das bestimmt auch nicht besser. Allerdings sagt Wilson auch, dass die Mine relativ neu und dementsprechend gut belüftet sei. Immerhin! Bevor es allerdings losgeht, werden wir noch mit Helmen mit Stirnlampen, Gummistiefeln, Beuteln für die Getränke, Hosen und Jacken ausgestattet.
Bevor wir in die Mine gehen, bringt uns Wilson zu einer Mineralien-Fabrik. Hier wird zuerst mithilfe von einigen Brechern das Gestein zerkleinert, dann gemahlen und danach werden mit Hilfe mehrerer Chemikalien in vielen hintereinandergeschalteten Becken die Mineralien aus der Schlemme gewaschen. Uns wird gesagt, dass wir ja nichts anfassen sollen. Und falls wir unsere Finger doch nicht für uns behalten könnten, „Fasst euch wenigstens nicht ins Gesicht oder die Augen!“. Die Chemikalien sind höchst giftig. Die Ausdämpfung seien aber in der kurzen Zeit die wir hier sind nicht gesundheitsschädlich.
Wir fahren weiter von der Mineralien-Fabrik zur eigentlichen Mine. Die steilen Sträßchen dorthin führen mitten durch die Stadt. Die Stadt ist in den letzten Jahren so gewachsen, dass die Häuser mittlerweile bis zum Eingang zum Minengelände stehen. Das führt immer wieder zu Spannungen zwischen den Minenarbeitern und den Anwohnern. Denn nahe zum Eingang zu den Minen befindet sich auch der Materialmarkt für die Minen. Hier bekommt man alles, was man für die Arbeit in den Stollen benötigt. Presslufthammer, Seilwinden, Stiefel und Helme und natürlich auch Dynamit. Und davon eine Menge. Potosi ist die einzige Stadt in Bolivien in der Jeder einfach so Dynamit kaufen kann. Auch wir könnten dort ohne Schwierigkeiten einkaufen. Irgendwie verständlich, dass die Anwohner Angst haben, dass ihnen der Markt um die Ohren fliegt, wenn bei der Lagerung des Sprengstoffes irgendwas daneben geht.
Wir betreten das Minengelände und gehen auf den sehr unscheinbar aussehenden Haupteingang der Mine zu. Wilson erklärt uns noch kurz, wie wir uns verhalten sollen, wenn uns ein Minen-Wagen entgegen kommt. „Die wiegen zwischen zwei und drei Tonnen und haben keine Bremsen. Also geht dann an einem breiten Teil des Tunnels runter von den Schienen, und stellt eure Füße parallel zu den Gleisen, damit sie euch nicht über die Zehen fahren!“. Mit diesen Worten stiefelt Wilson auf den Schienen in den dunklen Tunnel. Nach nur wenigen Metern müssen wir uns zum ersten Mal unter der Tunneldecke hinwegducken. Jetzt fragt sich Adi doch, ob es wirklich eine gute Idee war, diese Tour zu machen. Aber zu spät. Wilson führt uns munter weiter ins Innere des Berges. Nach ein paar Abzweigungen sind wir komplett orientierungslos und laufen nur noch dem Licht von Wilsons Stirnlampe nach. Er erklärt uns allerdings, dass wir keine Angst zu haben brauchen. Es gebe zwar keinerlei Karten und Dokumentationen zu den Tunneln, aber er habe alle Tunnel im Kopf und kenne sich blind in diesem Berg aus. Uns bleibt nichts anders übrig als ihm zu vertrauen.
Wilson erklärt uns viel über die Gewinnung der verschiedenen Mineralien. Silber ist schon lange nichtmehr das Hauptgeschäft. Hier werden hauptsächlich Kupfer, Zinn und Zink abgebaut. Er erklärt uns auch, wie die Bergbauunternehmen aufgebaut sind. Im Wesentlichen arbeitet jeder für sich und es hängt eigentlich alles vom Glück der Minenarbeiter ab, ob sie eine brauchbare Ader finden oder nicht. Die Tunnel, die sie bei ihrer Suche nach Mineralien in den Berg sprengen, entstehen nur anhand der Erfahrung der Arbeiter. Das hat auch zur Folge, dass sich die Tunnel manchmal treffen. Kein sehr beruhigender Gedanke.
Nachdem wir fast anderthalb Stunden durch die Stollen gekraxelt sind, vorbei an tatsächlich besoffenen Arbeitern, unter gebrochenen Deckenbalken und über Geröllhaufen von eingestürzten Tunnelwänden, erreichen wir die Huldigungsstätte der Bergleute für ihren Gott unter dem Berg „El Tio“. Seine Statue ist überschüttet von Coca-Blättern, Zigarettenstummeln und leeren Plastikflaschen, in denen der Industrie-Alkohol einst war. Hierher kommen die Bergarbeiter, um ihren Gott um Schutz und gute Ausbeute zu bitten und überlassen ihm all die Geschenke, um ihn gnädig zu stimmen, oder um sich bei ihm für eine erfolgreiche Mineraliensuche zu bedanken.
Wir sitzen in dem kleinen, engen Tunnel und Wilson erklärt uns das Ritual. Dazu gehört auch, dass man eine gerade Anzahl an Schlucken des Hochprozentigen trinkt. Eine ungerade Anzahl bringt Unglück! Also sitzen wir da, Wilson raucht eine Zigarette an, schiebt sie der Statue in den Mund und wir trinken gemeinsam den „Schnaps“ von dem Wilson eine kleine Flasche mitgebracht hat. Der schmeckt tatsächlich gar nicht soooo schlimm, wie Adi erwartet hat. Außerdem steigt er ziemlich schnell in die Rübe. Deswegen ist es auch nicht mehr ganz so schlimm, dass wir, während wir dort unten sitzen, Sprengungen hören. Dennoch ein etwas bedrückendes Gefühl! Wilson erklärt uns, dass die Sprengungen ca. 200 Meter unterhalb von uns sind. Irgendwie kann man allerdings doch die Erleichterung bei allen spüren, als wir uns wieder auf den Weg zum Ausgang machen.
Es war eine wirklich interessante, aber auch erschreckende Erfahrung, zu sehen, unter welchen Bedingungen die Minerale gefördert werden, die uns tagtäglich in unseren Werkzeugen, Handys und Autos begleiten. Da überlegt man sich dann doch zwei Mal, ob man tatsächlich jedes Jahr ein neues Smartphone oder einen neuen PC benötigt, oder ob´s das „alte“ Zeug dann doch noch tut…
Nach dieser bedrückenden Erfahrung und voller Freude, wieder Tageslicht zu sehen, gehen wir nochmals in die Stadt zum Essen. Morgen soll es ja schließlich weiter gehen nach Sucre. Hier haben wir uns in einer Sprachschule für einen einwöchigen Kurs angemeldet und hoffen, dass uns das für unsere weitere Reise ein bisschen mehr sprachliche Sicherheit bringt.
Der Weg nach Sucre bringt uns wieder mal die Freude am Motorradfahren zurück! Die Straßen sind super, die Kurven zahlreich und die Landschaft gefällt uns immer besser. Vorbei an kleinen und großen Canyons, schneebedeckten Bergen und sogar richtigen Bäumen (!!!) schlängeln wir uns weiter und weiter auf die bolivianische Hauptstadt zu.
Unser Hostel dort liegt sehr nahe an der Innenstadt. Und wir sind wirklich begeistert von der Wahl unserer Unterkunft! Auf dieser Reise hatten wir noch nie ein solch großes Zimmer mit einem so bequemen Bett, einer sehr großen Dusche und sogar einem Balkon am Zimmer, auf den wir unsere müffelnden Stiefel zum Auslüften stellen können. Und das alles zu einem günstigeren Preis, als wir für viele der chilenischen Campingplätze bezahlt haben!
Der Weg zur Sprachschule führt uns quer durch die Innenstadt, vorbei an den vielen, weißen Universitäts- und Verwaltungsgebäuden, für die die Stadt so bekannt ist. Kleine Cafés, erstaunlich viele Schokoladen-Läden und sehr viele Straßenstände, an denen alles Mögliche verkauft wird, sorgen dafür, dass es uns auf den 15 Minuten Fußweg nicht langweilig wird. Unser Unterricht dauert ca. 4 Stunden und mit unserer Lehrerin Veronica haben wir tatsächlich viel Spaß und lernen viel über Land, Leute und die landesübliche Preisgestaltung. Wir müssen uns ab jetzt darauf einstellen, an Obst-, Gemüse-, und Fressständen zu verhandeln, um nicht völlig über den Tisch gezogen zu werden… Allerdings sind wir davon noch weit entfernt. Als wir Veronica erzählen, was uns die Marktfrauen für Preise für eine Mango angeben, schaut sie uns erst ungläubig an und wird dann sogar richtig sauer. „Das ist der fünf- bis sechsfache Preis! Das ist für die jetzige Jahreszeit viel zu viel!“, sagt sie uns. Als wir mit dieser Info das nächste Mal zum Obststand gehen und versuchen zu verhandeln, wird schnell klar, dass es wohl für uns keine Mango geben wird. Die Damen an den Ständen weichen kein Stück von ihren Gringo-Preisen ab und wir haben keine Lust uns komplett verarschen zu lassen. In das richtige Verhandeln muss man erst einmal reinfinden. Vielleicht bekommen wir es ja irgendwann doch noch besser hin. Vielleicht schaffen wir es sogar bis zum Ende der Reise nur den doppelten Preis beim Gemüse zu zahlen, wie die Einheimischen. Das wäre zumindest ein realistisches Ziel.
Nach dem Unterricht gehen wir eigentlich immer in die Stadt, um Mittag zu essen. Die Auswahl ist so groß, dass wir jeden Tag in ein anderes Bistro, Restaurant oder den Mercado Central gehen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Mittagessen ist unschlagbar. Für eine wirklich große Portion Mondongo, ein typisches Gericht aus Sucre mit Fleisch, Mais, großzügig Soße und Kräutergarnitur, zahlt man gerade mal 12 Bolivianos. Das sind umgerechnet um die 1,50€. Dass Nadi die typische Erdnusssuppe (Sopa de Mani) nicht so überzeugend findet, ist für einen solchen Preis auch verkraftbar.
Mittags ziehen wir durch die Stadt, gehen in kleine Cafés, trinken Kaffee, essen Kuchen oder gehen auf den Hausberg mit der riesigen Jesus-Statue, um von dort oben die Umgebung Sucres etwas besser zu sehen. Obwohl Sucre nur auf rund 2800 Metern liegt, ist der Aufstieg über die steilen Natursteintreppen tatsächlich ein Konditionstest. Kein Wunder sieht man auf diesem Fußweg nur Touristen. Die Einheimischen sind nicht so doof und laufen hoch. Sie nehmen die Kopfsteinpflaster-Straße mit dem Auto und parken oben direkt neben der Jesusstatur! Die Aussicht ist von hohen Bäumen etwas verdeckt, aber man kann trotz allem erkennen, dass auch diese Stadt mutmaßlich in den letzten Jahren sehr gewachsen sein muss. Frisch fertiggestellte Hochhäuser und viele Baustellen auf den Hügeln rings um die Stadt herum, mit Ausblick auf die Innenstadt sind von hier oben gut zu erkennen.
Da wir ja einige Tage in Sucre haben, nutzen wir die Gelegenheit auch, um mal wieder alles zu waschen, was wir normalerweise nicht so regelmäßig in die Wäsche geben. Schlafsäcke und Kopfkissen zum Beispiel. Manchmal ist es eben auch von Vorteil, nicht jeden Tag ein neues Ziel erreichen zu müssen. Aus diesem Grund entscheiden wir uns auch, einen unserer Nachmittage im historischen Museum direkt am Hauptplatz zu verbringen. Nicht nur das von den Jesuiten erweiterte Gebäude ist einen Besuch wert, auch die Geschichte des Landes ist hier recht gut nachvollziehbar. Allerdings nur, wenn man so wie wir das Glück hat, zufälligerweise genau rechtzeitig zum Start einer Führung ins Museum zu kommen. Uns fällt auf, dass wir erschreckend wenig über die Geschichte Boliviens und Südamerikas insgesamt wissen. Klar, die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus ist noch halbwegs geläufig. Die Zeit davor, oder die Konflikte, die danach kamen, die Namensgebung der Länder und Städte (die meisten wurden nach Generälen oder wichtigen Politikern benannt, so wie Kolumbien (Kolumbus), Bolivien (Simon Bolivar) oder Sucre (Antonio José de Sucre) und die Kriege innerhalb der Staaten nach deren Unabhängigkeit von Europa waren uns bisher nicht wirklich bekannt. So ist es durchaus interessant zu sehen, wie sich die Grenzen auf den Landkarten mit der Zeit entwickelt haben. So war Adi zumindest nicht bewusst, dass Bolivien bis ca. 1850 noch Zugang zum Pazifik hatte, bis Chile die Küste unter seine Kontrolle gebracht hat.
Abends gehen wir, bis auf ein Mal, auch immer essen. Mit Laura und Adrian und dem britischen Pärchen, Camilla und Thomas, das wir in der Sprachschule kennengelernt haben, ziehen wir durch die Stadt und suchen nette Restaurants und Bars.
An unserem letzten Abend in Sucre geben wir uns nochmals eine kleine Ladung Kultur. Im Espacio Cultural Origen sehen wir uns eine Kostüm und Tanzaufführung durch die verschiedenen Zeiten und Regionen der bolivianischen Geschichte an. Mit bunten Kostümen, lauter Musik und sehr viel Körpereinsatz wirbeln die Männer und Frauen auf der Bühne herum. Das sieht nach körperlicher Höchstleistung aus! Da haben wir es an unserem Tisch mit unserem, zur Vorführung servierten Abendessen, deutlich bequemer.
Auf dem Heimweg zum Hostel unterhalten wir uns über die Woche, unseren Sprachkurs und die Stadt Sucre und kommen zu dem Schluss, dass Sucre bisher die schönste Stadt ist, die wir auf unserer Reise besucht haben und sind froh, dass wir unseren ursprünglichen Plan, die Stadt auszulassen, verworfen haben.
Da wir die ganze Woche früh aufstehen mussten, schlafen wir am nächsten Morgen erst einmal richtig aus und lassen uns ausnahmsweise viel Zeit beim zusammen packen. Zum Glück müssen wir in dieser Unterkunft erst um 11 Uhr auschecken. Mit einem dicken Grinsen im Gesicht fahren wir aus der Stadt, zurück in Richtung Uyuni.
Auf dem Weg halten wir an, um eine alte Brücke zu begutachten, die wir beim Hinweg nur noch aus dem Augenwinkel sehen konnten und sind fast schon versucht, irgendwie zu versuchen, darauf zu kommen. Wir entscheiden uns allerdings dagegen, weil wir heute noch durch Potosi fahren wollen, um die Nacht nochmals auf dem Platz mit den unzähligen Llamas zu verbringen.
Von der Straße auf der letzten Anhöhe von der aus es hinunter zu unserem Ziel geht, können wir schon den weißen Van von Laura und Adrian sehen, die dort gerade eben auch angekommen sein müssen. Wir fahren die kleine Staubpiste zum Platz vom letzten Mal, bauen unser Zelt auf, essen etwas und machen uns dann mit den beiden einen gemütlichen Abend, bevor es morgen wieder zurück nach Uyuni geht. Hoffen wir mal, dass der Salzsee tatsächlich trockener ist und wir längere Zeit dort verbringen können. Schließlich ist die schier ewige, weiße Weite des Salzsees eines der wirklich großen Ziele unserer Reise!
Bolivien
Salar de Uyuni
Wir packen morgens unsere sieben Sachen und machen uns auf den Weg nach Uyuni. Als wir die Kurven über die letzte Bergkette vor Uyuni durchfahren und der Salar auf einmal zu sehen ist, steigt die Vorfreude schon fast ins Unermessliche! Wir können es kaum erwarten endlich auf dieses weiße Meer zu gelangen. Von einem der Touranbieter haben wir erfahren, dass der Salar bis auf den Eingang tatsächlich in der letzten Woche so stark getrocknet ist, dass es wieder möglich ist bis zu den Inseln zu fahren. Perfekt, dann hat sich der Umweg auch gelohnt!
Erst einmal geht es jedoch zurück zu dem Hostel in dem wir schon beim ersten Mal in Uyuni übernachtet haben. Von dort aus sind die ganzen Tourenanbieter, die wir anfragen wollen, fußläufig erreichbar und wir können erst einmal unsere Motorradklamotten ausziehen und uns duschen. Als wir auf der Straße vor dem Hostel anhalten, stehen dort schon zwei schwer bepackte Motorräder. Wir halten hinter ihnen an und können unter einer dicken Salzschicht gerade noch so erkennen, dass die beiden Münchner Kennzeichen haben. Das müssen Michi und seine Freundin sein, mit denen wir zuvor schonmal über unsere Motorrad-WhatsApp-Gruppe Kontakt hatten! Und tatsächlich, es sind die beiden und wir begrüßen uns sofort freudig. Die beiden sind gerade eben vom Salar zurück gekommen. Was für ein Zufall! Was sie uns von ihrem Ausflug auf den Salar berichten, klingt einfach nur großartig. Die beiden sind seit über einem Jahr in Amerika unterwegs, doch den Salar mit den eigenen Motorrädern zu befahren, sei einer der geilsten Erfahrungen die sie bisher gemacht haben und die wir nicht verpassen sollten. Wir checken allesamt im Hostel ein und beschließen, heute Abend gemeinsam etwas essen zu gehen. Allerdings müssen die beiden erst noch ihre Motorräder waschen. Und das dauert. Zeit für uns zu überlegen, was wir nun machen sollen. Eine geführte Tour, um unsere Motorräder zu schonen oder doch selbst fahren, mit der Freiheit selbst entscheiden zu können, wo es hingehen soll? Anscheinend kennen die beiden einen Motorradtourenanbieter der auch Motorräder wäscht. Wir beschließen uns die Motorräder nach der Wäsche noch einmal anzuschauen, aber vorerst keine Tour zu buchen. Entweder buchen wir morgen Eine oder nutzen den Tag, um die Fahrt auf den Salar vorzubereiten. Adrian und Laura werden mit ihrem Van auch selbst drauf fahren. Um so länger wir darüber nachdenken umso mehr freuen wir uns darüber keine Tour gebucht zu haben!
Gerade als wir beschließen, schon einmal zusammen mit Laura und Adrian vor zu gehen, da die beiden Münchner gegen 8 Uhr immer noch nicht zurück sind, kommen die beiden durch die Eingangstür gerollt. Und so stiefeln wir, dieses Mal zu sechst, geradewegs in das kleine, nicht ganz so vornehme Assado-Restaurant, das uns beim letzten Mal so gut gefallen hat. Diesmal ist es allerdings ein voller Reinfall! Der Kellner ist so besoffen oder anderweitig benebelt, dass er zweimal die Hälfte unserer Bestellung vergisst und leider scheint der Geisteszustand des Grillmeisters derselbe zu sein. Kurz gesagt, die Erfahrung des letzten Besuches lässt sich leider nicht bestätigen. Aber wie sagt man so schön, drei Bier sind auch eine Mahlzeit! So ziehen wir weiter ins nächste Restaurant. Nachdem das Lokal schließt, in dem wir ein Bier nach dem anderen trinken, gehen wir noch zu einem der kleinen 24-Stunden-Kiosks und holen zwei weitere Sixpacks. Dann setzen wir uns in unser Hostel-Zimmer, trinken weiter und verquatschen uns bis morgens früh um fünf.
Der nächste Tag wird dementsprechend nicht mehr zum Organisieren von Touren genutzt, sondern wird katernd im Zimmer verbracht. Entweder sind wir aus der Übung gekommen, oder der Alkohol hat deutlich stärkere Auswirkungen auf dieser Höhe. Wir schieben es, wie immer, auf die Höhe und gehen erst mittags um vier das erste Mal vor die Tür. Michi und Lara, die das Zimmer neben uns haben, sehen auch nicht sonderlich fit aus. Aber wir beschließen, heute Abend nochmal essen zu gehen. Diesmal allerdings zum Thai über die Straße. Der sieht deutlich besser aus und hat auch die besseren Bewertungen. Die Bochumer sind heute schon weiter zum Eingang des Salar gefahren, um sich schonmal den nassen Teil und die besten Routen durch die tiefen Pfützen anzuschauen. Wir werden die beiden morgen dort treffen, um gemeinsam den Salzsee zu befahren.
Am nächsten Morgen steigt die Nervosität. Zumindest bei Adi. Er ist sich nicht sicher, wie gut die Idee ist, die Motorräder durch die tiefen Salzwasser-Pfützen zu manövrieren, ist doch Salz nicht unbedingt das Beste für unsere, hauptsächlich aus Stahl bestehenden Maschinen. Allerdings hat man eine solche Gelegenheit nur einmal im Leben und so fahren wir voll bepackt die 26 Kilometer von Uyuni zum Eingang auf den Salar.
Auf dem Parkplatz am Eingang steht schon der weiße Van der Bochumer. Der nasse Teil sieht doch deutlich größer aus, als wir nach den Erzählungen von Michi und Lara erwartet hatten. Unschlüssig schauen wir uns die Wasserfläche an. Wir beschließen, noch ein Wenig abzuwarten und uns die Routen anzusehen, die die ganzen Touren mit ihren Jeeps durch die Pfützen nehmen. Die Wellen, die die Jeeps vor sich herschieben sind teilweise echt hoch! Immer öfter schießt uns der Gedanke durch den Kopf, dass das vielleicht eine Scheiss-Idee sein könnte. Nachdem Adi ein paarmal verschiedene Stellen am Eingang abgelaufen ist, fassen wir uns ein Herz und fahren los. Die Bochumer nehmen eine Linie durch den längsten Wasserteil. Allerdings sieht das Wasser dort am flachsten aus und die Autos wackeln dort auch am wenigsten. Scheint also die ebenste Linie zu sein. Allerdings ist es dort sehr rutschig, was die Linie für uns auf den Motorrädern unbrauchbar macht. Das Letzte, was wir gebrauchen können, ist, dass wir die Maschinen in einer 20 cm tiefen Salzwasser-Pfütze umwerfen. Aus diesem Grund beschließen wir einen anderen Weg zu nehmen und von Salzinsel zu Salzinsel zu fahren. Wobei „wir“ in dem Fall „Adi“ heißt. Wir haben vereinbart, dass Adi beide Maschinen soweit über die nassen Flächen manövriert, bis Nadi sich wieder sicher genug fühlt, dass sie ihre Maschine nicht umwirft.
Dementsprechend brauchen wir für die ersten paar hundert Meter des Salar eine gefühlte Ewigkeit. Durchfahren, Motorrad abstellen, zurücklatschen, nächstes Motorrad holen, durchfahren, abstellen, wieder zum ersten Motorrad zurück und das Ganze von vorne. Nach einer dreiviertel Stunde haben wir es geschafft. Danach fahren wir allerdings immer noch sehr, sehr langsam weiter, da das Salz hier zwar nicht mehr unter Wasser steht, aber immer noch sehr feucht ist. Um uns die nasse Pampe nicht mit voller Wucht unter die Motorräder zu klatschen, fahren wir also mit Schrittgeschwindigkeit weiter, bis die Maschinen wieder trocken sind und wir das Gefühl haben, dass das Salz nicht mehr allzu hoch spritzt. Ein sehr guter Indikator für die angemessene Geschwindigkeit sind die vielen Tour-Jeeps, die mit den Fahrten auf die Salzebene ihr täglich Brot verdienen. Wenn die langsam fahren, ist man gut beraten, das auch zu tun, um sein Fahrzeug nicht mit aller Gewalt zu schrotten. Wenn die richtig Gas geben, kann man sich zumindest überlegen, auch schneller zu fahren.
Wir fahren also erst einmal gemütlich zum Dakar-Monument, das relativ nahe am Eingang neben dem Salzhotel errichtet wurde. Hier halten auch alle Touren, schmeißen ihre Touris raus, damit die ein Bild mit dem Touareg-Symbol der Dakar-Rally machen können und fahren dann schleunigst zu einer der Hauptinseln weiter. Wir warten ein bisschen vor dem Monument, beobachten die vielen verschiedenen Leute die sich hier in unterschiedlichen Posen fotografieren lassen und als der größte Teil der Touren schon weiter gefahren ist, stellen wir unsere Motorräder dann doch auch noch vor das Monument und Posieren für die Kamera. Irgendwie gehört es ja doch auch dazu!
Danach machen wir uns auf den Weg zu einer der vielen Inseln, um dort unser Lager für die nächste Nacht zu errichten. Bevor wir allerdings bei der Insel ankommen, halten wir nochmals an, um unsere eigenen Versuche von den Perspektiv-Aufnahmen zu machen. Die ersten Versuche sind jedoch nur teilweise erfolgreich.
Und da uns langsam, aber sicher das Sonnenlicht zu verschwinden droht, machen wir uns auf den Weg zu unserer kleinen Insel. Die Fahrt dorthin fühlt sich absolut surreal an. Ohne Straßen, Spurrillen und nur mit der groben Orientierung auf einen Punkt am Horizont fahren wir mit fast 100 Sachen über die topfebene, mit weißen Sechsecken überzogene Fläche. Wenn man sich umsieht, sieht man am Horizont vereinzelt Bergketten oder kleine Inseln. Allerdings gibt es auch Bereiche, in denen nichts zu sehen ist, außer Salz und Himmel. Das ist der absolute Hammer! Das ganze Geschisse am Eingang war´s auf jeden Fall wert!
Nach gut einer Stunde Fahrt erreichen wir die Insel, die uns von Michi und Lara zum Übernachten empfohlen wurde und wir fahren wieder „an Land“. Fühlt sich wirklich lustig an! Auch wenn die Salzdecke an der „Küste“ sehr dünn wird und man an manchen Stellen das Gefühl hat gleich durchzubrechen. Das ist auch der Grund, weswegen Laura und Adrian ihren Van auf der Salzebene vor der Insel parken. Denn für die schweren Fahrzeuge ist die Gefahr des Einbrechens in Inselnähe tatsächlich ein Problem. Und die Bergung hier draußen, sollte man nicht aus eigenem Antrieb wieder herauskommen, kostet schlappe 1000 US-Dollar für ein Auto.
Wir bauen also unser Zelt windgeschützt hinter einer kleinen Mauer auf und genießen dabei noch die letzten Sonnenstrahlen auf dem Salar, bevor er Mond aufgeht. Dass wir ohne Sonnenlicht kochen müssen, ist nur halb so wild. Heute ist Vollmond und das Licht des Trabanten wird von der weißen Salzfläche reflektiert und ist so hell, dass wir nachts nicht einmal eine Stirnlampe benötigen, um uns draußen aufzuhalten. Während wir essen, beschließen wir, nicht wie ursprünglich geplant eine, sondern zwei Nächte hier zu bleiben. Diese Möglichkeit haben wir sonst nie wieder!
Am nächsten Morgen stehen wir gemütlich auf und genießen unsere Planlosigkeit für den heutigen Tag. Wir wollen nochmal versuchen, brauchbare Perspektivbilder zu machen. Wir gehen also ein paar Meter von der Insel weg und finden uns wieder an einer perfekten Stelle mit topfebenem Horizont und versuchen unser Glück erneut.
Da die Sonne hier unglaublich stark auf den Planeten brennt, wir ohnehin sehr hoch sind und dazu noch die Reflektion des Salzes dafür sorgt, dass man sehr, sehr schnell verbrennt, machen wir uns nach zwei Stunden auf den Weg in den Schatten hinter Lauras und Adrians Van und verbringen dort einen sehr gemütlichen Nachmittag. Wir snacken, trinken Bier, spielen ein paar Runden Qwixx und freuen uns, hier mitten im nichts zu sitzen!
Immer noch zutiefst beeindruckt von diesem Naturspektakel setzen wir uns vor unser Zelt und machen mit ein paar Holzresten unserer Vorgänger ein kleines Lagerfeuer. Was für ein Tag! Glücklich verkriechen wir uns in unser Zelt und packen uns dick ein. Nachts kann es hier nämlich durchaus kalt werden!
Der nächste Morgen begrüßt uns mit einem wolkenlosen Sonnenaufgang. Naja, mit „uns“ ist ehrlicherweise nur Adi gemeint. Seine Frau nutzt jede Minute Schlaf, die sie bekommen kann! Wir haben nämlich beschlossen, heute früher aufzustehen, um zwar gemütlich, aber dennoch zeitig vom Salar zu fahren, um noch genügend Zeit zu haben, die Motorräder gründlich vom Salz zu befreien.
Adi bereitet also alles schonmal für eine zeitige Abfahrt vor, während Nadi sich nur mühsam aus ihrem Schlafsack pellen kann. Als das dann doch geschafft ist, packen wir unser Camp zusammen, schmieren uns nochmal ordentlich ein und machen uns dann auf den Weg. Wir umfahren noch einmal die Insel, auf der wir die letzten beiden Nächte geschlafen haben und genießen noch einmal die unglaubliche Szenerie. Man kommt sich auf dieser Ebene vor, als würde man nicht auf einem Motorrad sitzen, sondern auf einem Jetski. Einfach unglaublich!
Auf dem Weg zum Ausgang genießen wir nochmals jeden Meter. Wir machen auch ein kleines Experiment. Auf einer Ebene, auf der man den Gegenverkehr schon als kleinen Punkt am Horizont in 20 Kilometern Entfernung erkennen kann, müsste es doch kein Problem sein, ein paar Kilometer mit geschlossenen Augen zu fahren! Wir versuchen das mal. Natürlich nicht gleichzeitig! Ganz so bekloppt sind wir dann doch nicht. Mit Nadis Richtungsansagen über das Headset fährt Adi als erstes mit geschlossenen Augen. Keine Ahnung wie weit, aber nach einer gefühlten Ewigkeit öffnet er sie wieder, weil das selbst mit Angaben von außen ein seltsames Gefühl ist. Das kann Nadi ebenfalls bestätigen, als wir die Rollen tauschen.
Als wir den Eingang, bzw. nun Ausgang wieder erreichen, stellen wir fest, dass die Pfützen-Landschaft im Vergleich zu vor zwei Tagen schon wieder deutlich trockener geworden zu sein scheint. Dementsprechend sind wir am Raus deutlich schneller als am Rein.
Nach ein paar Kilometern erreichen wir wieder die asphaltierte Hauptstraße nach Uyuni und halten nochmal kurz am Straßenrand an. Wir verwenden die letzten paar Liter aus unseren Wasserkanistern, um das gröbste Salz schonmal von den Kühlern und Motoren zu waschen, bevor wir weiterfahren und das Zeug so fest wie Beton wird und wir den Presslufthammer brauchen, um die Kisten wieder sauber zu kriegen.
Robin, ursprünglich aus Großbritannien, macht nicht nur geführte Motorradtouren, sondern hat sich auch auf die Wäsche von Motorrädern spezialisiert, die gerade vom Salzsee kommen. Eigentlich hat er gerade keine Zeit, weil er die morgige Tour vorbereiten und dafür noch die Rahmen der beiden Motorräder wieder geradebiegen muss, die bei einem Unfall auf der letzten Tour verzogen wurden. Allerdings lässt er uns trotzdem ein und sagt uns, dass wir halt selber mithelfen sollen, dann klappt das schon irgendwie.
Die Maschinen werden erstmal so vom gröbsten Dreck befreit, dann nehmen wir die Verkleidungen und Motorschutzplatten ab und schauen, wie viel Salz unter den Abdeckungen zum Vorschein kommt. Bei der Honda heben wir sogar den Tank an, um darunter besser ausputzen zu können. Während die eine Maschine in der Wäsche ist, wird die nächste zerlegt. Dann wäscht Robin sie ein zweites Mal behutsam ab und geht im Nachhinein nochmals mit Druckluft in die Zwischenräume, um dort auch das letzte bisschen Salz herauszupusten. Anschließend wird noch einmal die ganze Maschine mit Rostschutz eingesprüht, bevor die ganzen abgebauten Teile wieder drangebastelt werden.
Als wir fertig sind, stellen wir fest, dass wir fast viereinhalb Stunden bei Robin in der Werkstatt waren. „Das ist ein neuer Rekord!“, sagt er lachend und gibt uns für den Abend noch einen Tipp für die beste Pizza in der ganzen Stadt. Wir bezahlen ihn, bedanken uns wortreich für seine Zeit, entschuldigen uns zum wiederholten Male dafür, dass wir ihn so lange behelligt haben und geben ihm noch ein bisschen Trinkgeld für den Kaffee und seine Gastfreundschaft.
Mit tiefengereinigten Maschinen fahren wir wieder in unser Stamm-Hostel, in dem wir wieder dasselbe Zimmer haben, wie schon die letzten Male und beschließen, heute ohne Abendessen, aber dafür einfach früher ins Bett zu gehen.
Wir verlängern unseren Aufenthalt in Uyuni nochmals um eine Nacht und nehmen den morgigen Tag, um die weitere Reiseroute, die bald anstehenden Verschiffung und die Reinigung und Wartung unserer Ausrüstung in Angriff zu nehmen.
Die nächsten Meilensteine sind die Death-Road, die Regenwaldtour in Bolivien und der Machu Picchu in Peru. Es bleibt also weiterhin spannend 🙂